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Die Einsetzung des Fronleichnamsfestes
Zum 750. Jahrestag (1996)
Zu anderen Zeiten würde ein ebenso bedeutendes Ereignis wie die Einsetzung des
Fronleichnamsfestes in der ganzen Christenheit eine unvergleichliche Begeisterung der Hingabe und des Glaubenseifers hervorgerufen haben, und Belgien als altes katholisches Land würde Gründe
genug gehabt haben, sich auszuzeichnen. In der Tat war es der Bischof von Lüttich, Mgr. Robert de Thourotte, der durch Dekret von 1246 für seine Diözese dieses schöne Fest des Allerheiligsten
Altarssakraments einführte, das auch Fronleichnamsfest genannt wird. Achtzehn Jahre später dehnte der Papst das Fest auf die Gesamtkirche aus. Gewiss ein wichtiges Ereignis, handelte es sich doch
darum, den Kult der Anbetung, den man der allerheiligsten Eucharistie schuldet, weltweit glanzvoll zu verkünden und zu organisieren.
Wie so oft, bedient sich Gott auch hier einfacher Leute und anscheinend zusammenhangloser Dinge
zwischen ihnen, um bewundernswerte Dinge vorzubereiten und zu verwirklichen. Die Geschichte der Einsetzung des Fronleichnamsfestes ist dafür ein weiteres, wunderbares Beispiel. Gegen Ende des 12.
Jahrhunderts lebten Heinrich und seine Frau Frescende in einem kleinen Dorf namens Retinne, einige
Meilen von Lüttich entfernt. Liebevoll vereint, erfreuten sie sich der Güter des Glücks. Doch, seit einer Reihe von Jahren verheiratet,
litten sie darunter, noch keine Kinder zu haben. Sie beteten mit Inbrunst und vermehrten die guten Werke, um von Gott die Gnade
einer Nachkommenschaft zu erlangen. Eines Tages wurden ihre Gebete erhört. Im Jahre 1191 wurde ihnen eine Tochter geboren,
welche sie Agnes nannten, und im folgenden Jahr wurde ihre Freude durch die Geburt einer weiteren Tochter verdoppelt, die bei der
Taufe den Namen Juliana erhielt. Heinrich und Frescende durften das Glück des Familienlebens nicht lange kosten. Agnes zählte
sechs Jahre und Juliana fünf, als sie zu Waisen wurden. Doch der liebe Gott wachte über diese beiden Kinder. Sie verließen Retinne
und wurden von ihren Beschützern in ein Kloster gebracht, das gerade am Fuße des Mont Cornillon, einem der äußersten Enden der
Stadt Lüttich, errichtet worden war, um dort in Hospital zu betreuen. Die Oberin übertrug die Erziehung der beiden kleinen Mädchen
einer Schwester namens Sapientia, ein Name, der gut getroffen war, denn unter der Anleitung dieser Ordensfrau erhielten Agnes und
Juliana eine gründliche Ausbildung. Im Laufe der Zeit vermehrten sie die Freude ihrer Leiterin durch ihre lebhafte Frömmigkeit, ihren
prompten Gehorsam und ihre Freundlichkeit. Während Agnes aber sanft und einfach war, unterschied sich Juliana durch ihre Energie
und ihren Mut, Gott freiwillige Opfer zu bringen. Wie wir sehen werden, ist sie es, die Gott dazu bestimmte, am Anfang der
Einsetzung des Fronleichnamsfestes zu stehen. Unter der Anleitung von Schwester Sapientia hat Juliana frühzeitig Lesen gelernt;
rasch verstand sie auch Latein. Als jungem Mädchen werden ihr die Werke des hl. Augustinus und des hl. Bernhard vertraut. Weit
davon entfernt, wegen ihres Wissens und ihrer geistigen Kultur überheblich zu werden, blieb Juliana demütig und mildtätig, wobei sie
die Worte des Heilandes verwirklichte: „Ich bin nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen“ (Mt 20,26). So gab
sie sich also der niedrigen Aufgabe hin, welche ihr die Oberin übertragen hatte: das kleine Dienstmädchen zu sein auf dem Wirtschaftshof des Klosters. Bescheiden und gelehrig, war sie stets auch, so sagen uns ihre Biographen, von großer Vornehmheit in
ihrem ganzen Wesen, und zurückhaltend in ihren Äußerungen. Sie liebte die Einsamkeit und das Lesen, und in ihrem Herzen entwickelte sich eine sehnliche Liebe zum erhabenen Opfer des Altares.
Wiederum vergehen Jahre, da ist sie im Alter der aufspringenden Begeisterung, der ersten Visionen des Ideals. Da kommt der herrliche Tag, an dem Schwester Sapientia, inzwischen Priorin von
Cornillon geworden, sie als Novizin aufnimmt in die Gemeinschaft. In ihrem Herzen nimmt die Liebe zur heiligen Eucharistie mehr und mehr Raum ein, und ganz allmählich lässt Gott sie etwas von der
Aufgabe ahnen, mit der Er sie betrauen wird. Er zeichnet sie aus durch Visionen. Immer wenn sie zu beten anhob, erschien ein Gestirn vor ihren Augen, ein leuchtender Mond, der ab er am Rand
eingerissen war durch eine dunkle Kerbe. Auf viel inständiges Bitten hin eröffnete ihr der Allmächtige, dass der Mond die streitende Kirche (ecclesia militans) darstellte, die ihr Licht von der „Sonne der
Gerechtigkeit“ erhielte. Was die schwarze Einkerbung anginge, so deutete diese auf das Fehlen einer (sonnengleichen) Feierlichkeit, deren Einsetzung dazu beitragen würde, den Glauben der Getreuen zu
bestärken. Die Kirche würde nur dann in ihrem vollen Glanze erstrahlen, wenn der Einsetzung des erhabenen Sakraments der Eucharistie alljährlich in viel speziellerer Weise mitgedacht würde. In ihrer
Bescheidenheit hielt sich Juliana nicht für fähig, die notwendigen Schritte bei den kirchlichen Autoritäten zu einem guten Ende zu führen. Daher bat sie den Herrn, diesen Auftrag einer anderen
Person zu übertragen, die viel würdiger sein sollte als sie selbst. So zögerte Juliana über mehrere Jahre; Gott jedoch drängte sacht. Inzwischen war 1222 nach dem Tode von Schwester Sapientia
Juliana selbst Priorin ihres Klosters geworden. Nun hatte sie keine Ruhe mehr, den Auftrag Gottes zu
erfüllen. Mit Hilfe und Unterstützung von zwei sehr lieben Freundinnen vertraute sie sich einem Kanonikus des Kapitels von St.
Martin an: dem Johannes von Lausanne, einem verdienstvollen Mann, der hohes Ansehen genoss, des Wissens und der Heiligkeit.
Dieser war so klug, mehrere gute Theologen zu befragen, darunter Jacobus von Troyes, der damals Erzdiakon von Lüttich war.
Deren Beurteilung war einmütig: Das neue Fest, dessen Einsetzung vorgeschlagen war, würde nicht nur nichts Gegenteiliges zu den
Gesetzen und der Disziplin der Kirche darbieten, sondern könnte zur Quelle großen Ruhmes für die heilige Eucharistie werden, durch die öffentlichen Huldigungen, die diese umgeben würden.
Von dieser Billigung durch den Kanonikus Johannes unterrichtet, blieb Juliana - trotz ihrer Freude, die sie zusammen mit den
Freundinnen Eva und Isabella empfand - keineswegs untätig, vielmehr beeilte sie sich, ein liturgisches Offizium zu Ehren des heiligen
Sakraments zusammenstellen zu lassen. Sie übertrug diese Aufgabe einem jungen Frater des Nachbarklosters, dem Bruder Johannes.
Wie dies bei Ordensgemeinschaften, die zur Betreuung von Hospitälern bestimmt waren, häufig zutraf, befand sich auch auf dem
Mont Cornillon ein Doppelkloster, dessen einer Teil den Ordensfrauen vorbehalten war, während der andere Patres und Fratres
diente. - Äußerst sorgfältig den Ratschlägen Julianes folgend, machte sich Bruder Johannes, dessen große Frömmigkeit und erprobte
Tugend der Priorin bekannt waren, beherzt an die Arbeit. In den heiligen Schriften suchte er nach den Gedanken, die für die
Zusammenstellung dieses Offiziums geeignet erschienen. Als das Werk von Bruder Johannes fertig war, erhielt es die einmütige
Zustimmung der Theologen, die der vorsichtige Kanonikus Johannes von Lausanne erneut konsultiert hatte.
Der glückliche Erfolg des Offiziums für das heilige Sakrament, das gebilligt und sogar von den Doktoren gelobt worden war,
verbreitete sich in der Stadt Lüttich, die alsbald widerhallte vom Namen Julianas und von ihren Visionen. Man machte daraus den
Gesprächsgegenstand in allen Schichten der Bevölkerung, die einen, um sie zu bewundern, die größte Zahl jedoch, um sich darüber
zu belustigen. Unglücklicherweise schwammen auch viele Priester mit dem Strom, statt objektiv die Wege dieser von der Vorsehung
Erwählten zu prüfen. Indem sie urteilten, dass die Eucharistie durch das heilige Messopfer hinreichend geehrt sei, bedienten sie sich
eines Vorwandes, um die arme Juliana als Ehrgeizige zu bezeichnen, als Träumerin, welche sich anmaße, ein Fest einführen zu wollen
, zu dem sie die Offenbarung im Traum erfahren habe. - Unterstützt indessen durch den gelehrten Provinzial der Dominikaner von
Lüttich, Hugo von St. Cher, unternahm Juliana, von mehreren Ordensfrauen begleitet, eine wirkliche Wallfahrt durch die ganze
Region, bei der sie lange in den Kirchen von Köln, Maastricht und Tongern betete, um die Hilfe Gottes zu erlangen. Nach Lüttich
zurückgekehrt, findet Juliana, dass sich die Gemüter dort beruhigt haben: die Vorurteile verwandelten sich in Bewunderung, und die
erbittertsten Gegner des neuen Festes zeigten sich als dessen eifrigste Verteidiger.
Bald aber tauchen neue Prüfungen auf. Der Prior des Klosters der Fratres vom Mont Cornillon, Bruder Gottfried, war verstorben,
und einem unwürdigen Bruder gelingt es, sich durch Intrigen und Bestechung zum Prior wählen zu lassen. Juliana wollte die
Gültigkeit der Wahl eines Simonisten (Pfründenkäufers) keineswegs anerkennen. - Auch hegte der neue Prior gegen sie einen
unerbittlichen Hass. Er versuchte sogleich, sich der Gründungsurkunden der Ordensgemeinschaft zu bemächtigen. Juliana widersetzte
sich dem mit Unterstützung aller ihrer Töchter. Der Prior wiegelte sodann die Repräsentanten der Stadt Lüttich, die an der weltlichen
Führung des Hospitals Anteil hatten, gegen Juliana auf; auch erregte er die Leidenschaften des Volkes in solchem Maße, dass die
Zelle und das Oratorium der Priorin Juliana der Plünderung preisgegeben wurden. Sie selbst war glücklicherweise von den Schwestern in Sicherheit gebracht worden.
Nachdem Juliana zu ihrer Freundin Eva, der Klausnerin von St. Martin, geflüchtet war, wurde sie ermutigt von dem getreuen
Kanonikus Johannes von Lausanne, sodann erhielt sie auch Schutz durch Robert von Thourotte, der zuvor Bischof der Diözese
Langres gewesen war und am 1. November 1240 den bischöflichen Stuhl von Lüttich übernahm. Er hat eine strenge Untersuchung
über die Amtsführung der kirchlichen Einrichtungen auf dem Mont Cornillon vornehmen lassen; eine Untersuchung, welche die
Priorin Juliana völlig rechtfertigte gegenüber den Anschuldigungen, die von dem unwürdigen Prior gegen sie vorgebracht worden waren. Dieser wurde vom Bischof seines Amtes enthoben.
Diese Ereignisse brachten Mgr. de Thourotte dazu, sich für die Maßnahmen zu interessieren, welche Juliana und ihre beiden
Freundinnen Eva und Isabella hinsichtlich der Einführung eines Festes zu Ehren des Corpus Christi eingeleitet hatten. Und so kam es,
dass der Bischof nach inbrünstiger Anrufung des Heiligen Geistes 1246 ein Dekret erließ, mit dem er für seine Diözese das feierliche
Fest des Allerheiligsten Sakraments einführte und sogleich anordnete, dass es jeweils am Donnerstag nach der Dreifaltigkeitsoktav
gefeiert würde, und zwar mit dem Gesang des Offiziums, das der treue Bruder Johannes komponiert hatte. - Doch gegen Ende
desselben Jahres 1246 musste der heilige Bischof sterben. Die drei Jungfrauen, Juliana, Eva und Isabella, fuhren indes fort zu wachen
und zu beten, und vom folgenden Jahr an entschied das Kapitel der Kollegiatskirche St. Martin einmütig, den Willen von Mgr.
Thourette zu respektieren. Dieser hatte das Einführungsdekret des neuen Festes testamentarisch hinterlassen und die
Vorsichtsmaßnahme getroffen, das Offizium des heiligen Sakraments in zwanzig Exemplaren kopieren zu lassen, um dies weiter
abschreiben und an den Klerus seiner Diözese verteilen lassen zu können. Die weltweit erste Kirche, in der das Fronleichnamsfest gefeiert wurde, ist also die Kollegiatskirche St. Martin in Lüttich.
Welche Freude war dies für Juliana und ihre beiden Freundinnen, als die Glocken freudig von der Höhe des Hügels von St. Martin
erklangen, um die Getreuen zur ersten Feier einzuladen!
Indessen waren die Rückschläge für Juliana immer noch nicht beendet. Da Mgr. de Thourotte durch einen schwachen Bischof ersetzt
worden war, erreichte der amtsenthobene Prior seine gewalttätige Rückkehr. So wurde Julianas Oratorium im Kloster vom Mont
Cornillon ein weiteres Mal durch den vom alten Prior gedungenen Pöbel geplündert. Und so kam es, dass Juliana, nachdem sie lange
gebetet und nachgedacht hatte, sich entschied, den Mont Cornillon zu verlassen. In ihrer großen Demut war sie zu der Ansicht gelangt
, dass ihre eigene Anwesenheit dort einen Gegenstand der Zwietracht bildete. Mit drei Begleiterinnen, unter denen die treue Isabella
sich befand, machte sie sich 1248 auf den Weg ins Exil, ohne genaues Ziel und ohne Hilfsmittel, entschlossen ihr Brot zu erbetteln,
falls es sein müsste. Von Robertmont flohen sie nach Huy, dann nach Namur, um zur Klause von Fosses zu gehen, wo Juliana am 5. April 1258 im Alter von 66 Jahren starb.
Doch ihr Werk blieb Gegenstand der göttlichen Fürsorge. Im Jahre 1251 war der alte Dominikaner-Provinzial von Lüttich, Hugo von
Saint-Cher, inzwischen Kardinal geworden, in seiner Eigenschaft als apostolischer Legat zur Krönung des Königs Wilhelm von
Holland nach Aachen gesandt worden. So hatte er die Gelegenheit, über Lüttich zu reisen, wo er im Jahre 1252 das bischöfliche
Dekret von 1246 bestätigte. Eine zweite Bestätigung des Dekrets wurde 1254 durch einen anderen Legaten des Heiligen Stuhls
ausgesprochen, nämlich durch den Kardinal Capocci. Dass das Fronleichnamsfest somit von zwei Legaten bestätigt war, gestattete zu
hoffen, dass seine Feier sich nun rasch über die ganze Diözese von Lüttich verbreiten würde. Eva, die Klausnerin, die Juliana überlebt
hatte, betete von ganzer Seele für dieses Ziel, ohne jedoch vergessen zu können, dass ihre heilige Freundin ihr hinsichtlich des neuen
Festes angekündigt hatte: „Der Dämon wird sich beeilen, es zu bekämpfen und es zu verhindern“.
Unter dem Vorwand, dass die Dekrete der beiden Legaten von 1252 und 1254 wegen deren Abwesenheit keine Gesetzeskraft mehr
hätten, setzten sich der Dekan des Generalkapitels von St. Lambert zu Lüttich und sein Rat der Verbreitung der Feier des
Fronleichnamsfestes nicht nur entgegen, vielmehr gingen sie soweit, diese zu verbieten. Die Wege Gottes sind nicht die der Menschen!
Am 29. August 1261 hat der einstige Archidiakon von Lüttich, Jacobus von Troyes, den Stuhl des hl. Petrus bestiegen, unter dem
Namen Urban IV. Wenig später ereigneten sich in mehreren Ländern aufsehenerregende Wunder. Sie waren bedeutenden Personen
bekannt, und alles schien die Aufmerksamkeit auf die Eucharistie zu lenken. In Bolsena, nicht weit von Orvieto in der Toscana, wo
der Papst sich genau genommen aufhielt, wurde ein zelebrierender Priester in Versuchung geführt, und zwar in seinem Glauben an
die Realpräsenz. Daraufhin sah er nach der Konsekration plötzlich aus der heiligen Hostie, die er in Händen hielt, Blut in reichlicher
Menge herausfließen. Das Korporale, die Altartücher, selbst der Marmor wurden davon durchtränkt. Auch war es dem Zelebranten
nicht möglich, dieses Wunder zu verbergen. Der Papst wurde informiert und verlangte, dass man ihm das Korporale zeige. Man
brachte es nach Orvieto (wo es auch zur Zeit noch in der Kirche Santa Christina aufbewahrt wird). - Urban IV. hatte Juliana von
Cornillon her gut gekannt und war mit der Gruppe von Theologen, die von Johannes von Lausanne konsultiert worden waren, einer
der ersten gewesen, die den von Gott eingegebenen Plan gläubig angenommen hatten. Vielleicht kamen ihm die prophetischen Worte
Julianas ins Gedächtnis: „Es ist der Wille Gottes, dass das Fest des heiligen Sakraments in der ganzen Welt feierlich begangen werde.“
Er hielt also den Augenblick zum Handeln für gekommen und fasste den Entschluss, die Feierlichkeit, wie sie durch das Dekret des
Bischofs von Lüttich aus dem Jahre 1246 definiert worden war, auf die Gesamtkirche auszudehnen. Anno 1264 veröffentlichte er die
berühmte Bulle Transiturus, einen wahren heiligen Gesang zum Ruhm der heiligen Hostie. Mit dieser Bulle schrieb er kraft seiner
apostolischen Autorität das Fronleichnamsfest ein in den Zyklus der gesamtkirchlichen Liturgie, mit der Maßgabe, dieses Fest jeweils
„an dem Donnerstag zu feiern, der auf den ersten Sonntag nach Pfingsten folgt“. Im Text derselben Bulle versäumte man nicht, eine
sehr klare Andeutung auf die Visionen der hl. Juliana lobend hervorzuheben: „Im übrigen haben Wir zu jener Zeit, da Wir mit
geringerer Würde bestallt waren, Kenntnis von der Offenbarung bekommen, die einige fromme Personen erhalten hatten: dass eines
Tages dieses Fest von der ganzen Kirche gefeiert würde“. Und um dem Fest den vollen Glanz zu verleihen, den es verdiente, erbat
der Papst von Thomas von Aquin selbst die Erstellung eines ganz besonderen Offiziums.
Papst Urban aber hatte von einigen Priestern aus Lüttich, die damals in Orvieto anwesend waren, erfahren, dass die Klausnerin Eva
noch am Leben war. Da gingen Aufmerksamkeit und Fürsorge des Papstes so weit, schreibt der Chronist, „an die Gefährtin Julianas
ein persönliches Schreiben zu richten, in dem er ihr die gute Neuigkeit selbst ankündigte. So versetzte er diejenige auf einen Gipfel der
Freude, die soviel gebetet hatte, dass die Wünsche Julianas, welche sie teilte, vollständig in Erfüllung gingen.“ Der Erzdiakon von
Lüttich hatte wirklich von Anfang an in der Demut Julianas das Zeichen einer göttlichen Berufung erblickt. Diese Meinung hatte ihn
nicht verlassen, und Papst geworden, war seine Überzeugung vollständig dieselbe geblieben. Nach seinem Tod am 2. Oktober 1264
wurde die Bulle Transiturus von Papst Clemens V. anlässlich des Konzils zu Vienne bestätigt, das 1311 stattfand. Im Jahre 1317
veröffentlichte Papst Johannes XXII. (Nachfolger von Clemens V.) alle Dekrete des Konzils von Vienne als Anhang zum Corpus iuris
Canonici unter dem Namen „Clementinae“. Sodann umgab er das Fest des Allerheiligsten Sakraments mit einem Kult, dessen
Herrlichkeit selbst in den Augen von Ungläubigen großes Aufsehen erregen musste. Der ‘inspirierte Pontifex’ ordnete an, das
Fronleichnamsfest mit Oktav zu feiern und den göttlichen König in Prozessionen, in einem triumphalen Marsch über die Straßen und Plätze unserer Städte zu tragen, bis hinein in unsere Felder.
So hatte die Christenheit also keine Grenzen mehr, und Gott wurde überall verehrt als der wirkliche König.
(Victor Bioul, Übersetzung Dr. Franzke - leicht gekürzte Fassung)
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