Die Immerwährende Anbetung
Von Pfarrer Georg Flierl
1. Der Beginn
Den Anstoß, der die Ereignisse ins Rollen brachte, die schließlich zur Einführung der “Immerwährenden
Anbetung” führten, gab ein Telefonanruf, spät an einem Abend im Oktober 1985. Ein amerikanischer Priester, P. Martin Lucia SSCC, der den Gedanken und das Werk der Immerwährenden Anbetung bis
dahin in den USA in ca. 200 Pfarreien verbreitet hatte, wollte bei seinem Aufenthalt in Europa auch nach Tirschenreuth kommen. Auf den Gedanken, in Tirschenreuth anzufragen, hatte ihn Pfarrer Karl Maria
Harrer aus München gebracht. Der Termin mit dem Pater wurde für den nächsten Tag, einen Freitag, vereinbart. Mit einiger Verspätung kam der Pater in Begleitung eines amerikanischen Ehepaares in
Tirschenreuth an. Das Ehepaar hatte das jüngste seiner 15 Kinder mitgebracht. Der Pater befand sich an diesem Tag gesundheitlich in
einem jämmerlichen Zustand, so dass es bei einer gemeinsamen Mahlzeit unmöglich war, allzuviel über sein eigentliches Anliegen zu
erfahren. Ein zusätzliches Problem bildete die Sprache; der Pater und seine Begleitung sprachen kein Wort deutsch.
Der Samstag war dann der Tag, an dem mir der Pater nicht nur das Grundanliegen erläuterte, sondern v.a. ganz detailliert erklärte,
welche Schritte nacheinander getan werden müßten, um die Organisation der Immerwährenden Anbetung durchzuführen.
Nachdem ich mir sicher war, den Pater genau verstanden zu haben - das hatte mich zwei Tage in Anspruch genommen - setzte ich
die Einzelheiten H. H. Stadtpfarrer Georg Maria Witt auseinander, der zunächst den Besuch des Paters aus USA noch am Telefon
abgewimmelt hätte. Nach seinen Erinnerungen war es eine Bemerkung von mir, es könnte vielleicht doch der Wille Gottes sein, den Pater kommen zu lassen, der es ihn doch dann anders überlegen ließ.
Er war zunächst vor dem Gedanken zurückgeschreckt, bei all den vielen Dingen, die in der Pfarrei ohnehin schon “liefen”, noch eine
weitere Sache hinzuzubekommen.
Der nächste, mit dem das Ganze besprochen wurde, war der Pfarrgemeinderatsvorsitzende. Daraufhin wurde eine
Pfarrgemeinderatssitzung anberaumt, um das Projekt “immerwährende Anbetung” dort vorzustellen und durchzubesprechen. Ich
erinnere mich, dass wir nicht unbedingt darauf erpicht waren, das Anliegen auf Biegen und Brechen durchzudrücken, sondern den
Fortgang von den Reaktionen im Pfarrgemeinderat abhängig zu machen. Bei der Besprechung gab es u.a. drei Stimmen, die
Einwände und Bedenken vortrugen, aber als Ganzes erwies sich der Pfarrgemeinderat durchaus offen. Somit war die Immerwährende Anbetung also nicht bereits im Keim wieder erstickt.
Als nächstes musste ein Predigttermin festgesetzt werden, an dem die Immerwährende Anbetung der ganzen Pfarrgemeinde
vorgestellt werden sollte. Voraussetzung dafür war aber die Besprechung mit den Steyler Patres von St. Peter, Tirschenreuth, da ein
relativ großer Teil der Pfarrgemeinde dort den Sonntagsgottesdienst besucht. Die Patres unter Leitung von P. Rektor Anton Schuch,
SVD, erklärten sich damit einverstanden, dass einer der Pfarrseelsorger an dem betreffenden Sonntag die Predigt in der Klosterkirche St. Peter über die Immerwährende Anbetung hielt.
Diese Predigt war bei insgesamt acht Gottesdiensten zu halten, dreimal jeweils am Sonntagvormittag in der Stadtpfarrkirche und in St.
Peter, sowie am Samstag und Sonntagabend noch einmal in der Stadtpfarrkirche. Unmittelbar im Anschluss an die Predigt wurden die
Anmeldeformulare mit Kugelschreibern an die Gottesdienstbesucher durch Mitglieder des Pfarrgemeinderates ausgeteilt. Jeder, der
bereit war, mitzumachen, musste Name, Telefonnummer und gewünschtes Tagesviertel eintragen. Das Ziel war, wenigstens 336
Beter zu finden, zwei für jede der 168 Stunden einer Woche. Nach dem ersten Gottesdienst, der Samstagvorabendmesse, hatten
genau 42 Personen einen ausgefüllten Zettel abgegeben, Diese Zahl schien uns fast wie eine Verheißung, dass sich genügend Beter
finden würden. Acht Gottesdienste waren es insgesamt, acht mal zweiundvierzig ergab genau die erforderliche Zahl von 336 Betern.
Nach dem Abendgottesdienst am Sonntag waren es mehr als 380 ausgefüllte Zettel, manche zwar unleserlich, manche hatten das
Anliegen falsch verstanden, manche Zettel hatten Grundschulkinder ohne Wissen der Eltern abgegeben. Aber der Grundstock war vorhanden, um weiterzumachen.
Die Anmeldeblätter wurden sortiert nach Tagesvierteln (0-6, 6-12, 12-18, 18-24 Uhr). Die meisten Anmeldungen lagen für die Zeit
von 18-24, die wenigsten für die Zeit von 0-6 Uhr vor. Die Leute, die sich auf dem Anmeldeblatt durch ein zusätzliches Kreuzchen
bereit erklärt hatten, bei der weiteren organisatorischen Arbeit mitzuwirken, wurden herausgesucht. Für jedes Tagesviertel wurde
einer ausgewählt, der mit der Aufgabe der Einteilung der Beter betraut wurde. Hierzu war eine Vielzahl von Telefonaten notwendig.
Manchmal bereitete das Entziffern der Telefonnummern und der Namen fast unlösbare Schwierigkeiten.
Schließlich war auch diese Arbeit bewältigt, aber es waren in der Zeittafel noch einige Lücken geblieben, vor allem in der Nacht und
am Wochenende. Manch einer hatte beim Anruf des Einteilers einen Rückzieher gemacht, aber genausoviele gaben ihre Zusage nach einiger Bedenkzeit, so dass sich Absagen und Neuanmeldungen in etwa die Waage hielten.
Als Beginn für die Immerwährende Anbetung war der 21. März 1986 vorgesehen, der Schmerzhafte Freitag, das Patrozinium der
Gnadenkapelle, der Geburts- und Todestag des Hl. Bruders Klaus von der Flüe, dem wir neben dem Hl. Josef das Anliegen der
Immerwährenden Anbetung besonders anvertraut hatten. Vom 19.3., dem Festtag des Hl. Josef, bis zum 21.3.86 traf in diesem Jahr
das traditionelle Triduum zum Schmerzhaften Freitag. Das Triduum diente diesmal der Vorbereitung des Beginns der
Immerwährenden Anbetung. Der Prediger Dr. Bernhard Robert Kraus, Rektor der Wallfahrtskirche Maria Lindenberg, Schwarzwald,
verstand es, der Pfarrgemeinde das Anliegen der Immerwährenden Anbetung so gut nahe zu bringen, dass die zusätzlichen
Anmeldungen für die Immerwährende Anbetung ausreichten, um bis zum 21.3. die letzten Lücken in der Zeittafel schließen zu können.
Den abschließenden Gottesdienst zum Triduum des Patroziniums der Gnadenkapelle zelebrierte Weihbischof Vinzenz Guggenberger.
Nach der eucharistischen Prozession wurde das Allerheiligste in der Gnadenkapelle ausgesetzt, die Immerwährende Anbetung hatte begonnen.
2. Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes als Tun der Kirche
a. Die praktische Übung
Die Kirche kennt die Anbetung des eucharistischen Herrn in verschiedenen organisatorischen Formen, so etwa das Vierzigstündige
Gebet oder als “Ewige Anbetung”, wie sie auch in unserer Diözese üblich ist, wobei im Wechsel jeden Tag des Jahres eine oder mehrere Pfarreien diese “Ewige Anbetung” halten.
In der Weise, wie die Anbetung mittlerweile seit über fünf Jahren in der Pfarrgemeinde Tirschenreuth geübt wird, ist sie allerdings
verhältnismäßig ungewöhnlich, wenngleich sich unweit von Tirschenreuth das von Altbischof Dr. Rudolf Graber eingerichtete
Anbetungskloster in Konnersreuth befindet. Die dort im “Theresianum” wohnenden Schwestern und Pensionärinnen sind derzeit
allerdings nicht in der Lage, die Anbetung ohne Unterbrechung auch nachts durchzuführen.
Bedeutende Orte der Anbetung sind Sacre Coeur in Paris, sowie die großen Marienwallfahrstorte Lourdes und Fatima mit jeweils
eigens eingerichteter Anbetungskapelle.
b. Die dogmatischen Grundlagen
Die dogmatischen Grundlagen für die Anbetung der eucharistischen Brotsgestalt finden sich in der kirchlichen Lehre von der
“Wesensverwandlung” (Transsubstantiation). Mit dieser Begrifflichkeit haben das IV. Laterankonzil (1215) und das Trienter Konzil (1551) die wahre, wirkliche und wesentliche Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie zum Ausdruck gebracht. “Gottes Handeln
in Jesus Christus geschieht ein für allemal. Dem entspricht die fortdauernde Gegenwart Jesu Christi i n der Eucharistie über die
eucharistische Feier hinaus”. Der katholische Erwachsenenkatechismus macht darauf aufmerksam, dass der katholische Glaube an die
fortdauernde eucharistische Gegenwart Jesu Christi ursprünglich seinen Ausdruck v. a. darin fand, die bei der eucharistischen Feier
übriggebliebenen Elemente ehrfürchtig aufzubewahren und die Kommunion außerhalb der Eucharistiefeier den Kranken zu bringen
(vgl. DS 1645; Nr. 574). Der ursprüngliche und primäre Sinn der Aufbewahrung der Eucharistie ist also die Krankenkommunion bzw
. die Wegzehrung für die Sterbenden. Die Austeilung der hl. Kommunion außerhalb der Eucharistiefeier und die Verehrung und
Anbetung des unter den eucharistischen Gestalten bleibend gegenwärtigen Herrn kommen erst in zweiter Linie hinzu. Zu diesen
Formen eucharistischer Frömmigkeit außerhalb der Eucharistie gehören vor allem die eucharistische Anbetung, eucharistische
Prozessionen, besonders das Fronleichnamsfest, sowie privates Gebet vor dem Allerheiligsten. Sie verbreiteten sich erst im Mittelalter
und haben ihren Sinn in der Vorbereitung und in der Auswirkung der eucharistischen Feier, näherhin in der Kommunion (vgl. DS
1643; Nr. 573; SC 47). Werden diese Formen eucharistischer Frömmigkeit in diesem Zusammenhang verstanden, dann haben sie
eine bleibende Bedeutung in der Kirche (vgl. DS 1644). Sie bedürfen deshalb im Leben jeder Gemeinde und jedes einzelnen Gläubigen der Pflege und der Verlebendigung.”
J. Ratzinger und Johann Auer machen im Blick auf “Genossenschaften von der ewigen Anbetung”, die besonders im 17. Jahrhundert
entstanden waren, folgende Feststellung: “Insofern diese Unternehmungen dem Christuskult und dem Fürbittgebet für die großen
Anliegen der Zeit gelten, bleiben sie von dauerndem Wert und notwendig für die Kirche”.
c. Die Verehrung des Geheimnisses der Eucharistie gemäß der “lnstructio de cultu mysterii eucharistici” vom 25. März 1967
In diesem Dokument wurde die kirchliche Lehre nach dem II. Vatikanischen Konzil verbindlich formuliert. Es begegnet, ähnlich wie
im Katholischen Erwachsenenkatechismus, der Hinweis in Nr. 49 unter der Überschrift “Die Verehrung der Heiligen Eucharistie als
eines fortdauernden Sakramentes”, “dass der erste und ursprüngliche Zweck der Aufbewahrung der heiligen Gestalten außerhalb der
Messe in der Kirche die Spendung der Wegzehrung ist, die Aufbewahrung dient in zweiter Linie der Kommunion außerhalb der
Messe und der Anbetung unseres Herrn Jesus Christus, der unter diesen Gestalten verborgen ist”. Das Dokument zitiert hier die
Instruktion “Quam plurimum” vom 01.10.1949. Es fährt fort mit einer Zitation aus der Enzyklika “Mediator Dei” von Papst Pius XII
.: “Dieser eucharistische Anbetungskult ist einwandfrei und zuverlässig begründet”.
In Nr. 50 wird dann über “Das Gebet vor dem Allerheiligsten Sakrament” gehandelt: “Die Gläubigen sollen bei der Verehrung des im
Sakrament gegenwärtigen Christus daran denken, dass diese Gegenwart aus dem Opfer hervorgeht und auf die sakramentale und geistliche Kommunion hinzielt.
Die Frömmigkeit, welche die Gläubigen zur heiligen Eucharistie hindrängt, bedeutet deshalb eine Ermunterung für sie, voll und ganz
am österlichen Geheimnis teilzunehmen und dankbaren Sinnes auf das Geschenk dessen zu antworten, der durch seine Menschheit
ununterbrochen göttliches Leben in die Glieder seines Leibes einströmen lässt. Indem sie bei Christus, dem Herrn, verweilen, erfreuen
sie sich vertrauten Umgangs mit ihm, schütten vor ihm ihr Herz aus und beten für sich und alle die Ihrigen, für den Frieden und das
Heil der Welt. Mit Christus bringen sie im Heiligen Geiste ihr ganzes Leben dem Vater dar und empfangen aus dieser erhabenen
Verbindung Wachstum in Glaube, Hoffnung und Liebe. So wird in ihnen jene rechte innere Haltung genährt, mit der sie in
gebührender Ehrfurcht das Gedächtnis des Herrn feiern und häufig das Brot empfangen können, das uns der Vater geschenkt hat.
Die Gläubigen sollen es sich daher angelegen sein lassen, ihren Lebensumständen entsprechend Christus, den Herrn, im Sakrament zu
verehren. Die Seelsorger aber sollen sie durch ihr Beispiel dazu hinführen und durch ihr Wort anleiten.”
Und in Nr. 2, Abschnitt f heißt es bereits:
“Es steht ohne Zweifel fest, dass alle Christgläubigen nach der Weise, wie sie stets in der katholischen Kirche geübt wurde, diesem
heiligsten Sakrament bei der Verehrung die Huldigung der Anbetung erweisen, die man dem wahren Gott schuldet. Es ist nämlich
keineswegs deshalb weniger anbetungswürdig, weil es von Christus dem Herrn eingesetzt wurde, damit es genossen werde. Darum ist
nämlich im Sakrament, das aufbewahrt wird, er selbst anzubeten, da er wesentlich in ihm gegenwärtig ist, kraft jener Verwandlung
von Brot und Wein, die gemäß dem Tridentinischen Konzil zutreffend Wesensverwandlung (Transsubstantiation) genannt wird”.
Diese Vorstellung der Texte aus der “Instructio de cultu mysterii eucharistici” sollte helfen, Anbetung des eucharistischen Herrn als
ein Tun zu erhellen, das tatsächlich ganz im Sinne der Kirche geschieht. Außerdem sollten diese Aussagen dazu dienen, etwaige Vorbehalte gegenüber dieser Form der Frömmigkeit abzubauen.
d. Papst Johannes Paul II als Förderer der eucharistischen Frömmigkeit
Am 2. Dezember 1981 hat Papst Johannes Paul II. in der Sakramentskapelle des Petersdoms in Rom mit der “Ewigen Anbetung”
begonnen; dies auch als Anregung für andere Kirchen, dieses Beispiel nachzuahmen. Der Papst sagte damals: “Für die Kirche und die
Welt ist die Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes von großer Notwendigkeit ... Jesus erwartet uns in diesem Sakrament der Liebe ...”
In seinem Schreiben an alle Bischöfe der Kirche vom 24. Februar 1980 handelt er “Über das Geheimnis und die Verehrung der
heiligsten Eucharistie”. In Nr. 3 betont er, dass die “Verehrung des eucharistischen Geheimnisses ... sich auf die Heiligste
Dreifaltigkeit ... bezieht ... und unsere Kirchen auch außerhalb der Messzeiten erfüllen (soll),...weil das Geheimnis der Eucharistie
seine Entstehung einer großen Liebe verdankt und ... unseren Dank und unsere Verehrung (verdient) ... Die Anbetung Christi in
diesem Sakrament seiner Liebe muss dann auch seinen Ausdruck in vielfältigen Formen eucharistischem Frömmigkeit finden:
persönliches Gebet vor dem Allerheiligsten, Anbetungsstunden, kürzere oder längere Zeiten der Aussetzung, das jährliche
Vierzigstündige Gebet, der Sakramentale Segen, eucharistische Prozessionen, Eucharistische Kongresse. Einen besonderen Hinweis
verdient an dieser Stelle das Fronleichnamsfest als ein öffentlicher Akt der Verehrung, der dem in der Eucharistie gegenwärtigen
Christus bezeugt wird, wie es mein Vorgänger Papst Urban IV. in Erinnerung an die Einsetzung dieses großen Geheimnisses gewollt
hat. Dies alles entspricht also den allgemeinen Prinzipien und besonderen Normen, die schon seit langem in Geltung sind Lind während oder nach dem II. Vatikanischen Konzil erneut festgelegt worden sind”.
“Die Belebung und Vertiefung der eucharistischen Frömmigkeit sind der Beweis für jene wahre Erneuerung, die das Konzil sich
zum Ziel gesetzt hat und deren inneren Kern sie darstellen. Dies aber, verehrte, liebe Mitbrüder, verdient eine gesonderte Betrachtung
. Die Kirche und die Welt haben die eucharistische Verehrung sehr nötig. In diesem Sakrament der Liebe wartet Jesus selbst auf uns.
Keine Zeit sei uns dafür zu schade, um ihm dort zu begegnen: in der Anbetung, in einer Kontemplation voller Glauben, bereit, die
große Schuld und alles Unrecht der Welt zu sühnen. Unsere Anbetung sollte nie aufhören”.
e. Zusammenfassung
Diese Zusammenstellung insbesondere lehramtlicher Aussagen über die Verehrung des eucharistischen Geheimnisses außerhalb der
Messfeier mag genügen, um deutlich und nachdrücklich aufscheinen zu lassen, dass es sich hierbei um eine zutiefst christliche und gläubige Lebensäußerung handelt, die ganz im Sinne und Interesse der Kirche geschieht.
Zugleich bietet uns die zuletzt zitierte Äußerung Papst Johannes Pauls II., “die Belebung und Vertiefung der eucharistischen
Frömmigkeit sind der Beweis für jene wahre Erneuerung, die das Konzil sich zum Ziel gesetzt hat” (vgl. Hervorhebung durch
Unterstreichung), die Möglichkeit, auf den dritten Teil meiner Ausführungen überzuleiten: “Anbetung - ein Versuch und Weg zur innerlichen christlichen Erneuerung”.
3. Eucharistische Anbetung als Versuch und Weg zur innerlichen christlichen Erneuerung
Allgemein geläufig ist das Wort von der “ecclesia semper reformanda”. Auch das II. Vatikanische Konzil hat es betont und vollzogen,
dass die Kirche eine ständig zu erneuernde Kirche ist. Es stellt sich aber sowohl im Blick auf die Kirche als beständig zu erneuernde
wie auch im Blick auf unser Thema “Anbetung als Versuch und Weg zur innerlichen christlichen Erneuerung” die Frage nach den Kriterien, an denen eine solche Erneuerung erkannt und gemessen werden kann.
Die Frage nach den Kriterien lässt sich mit einem Blick in die Instruktion “Inaestimabile donum”’ der Kongregation für die
Sakramente und den Gottesdienst beantworten. In der Einleitung zu dieser Instruktion werden zunächst eine Reihe positiver Früchte
der Liturgiereform aufgezählt, dann aber auch verschiedenartigste Missbräuche. Es wird “ein wachsender Verlust des Gespürs für das
Heilige” beklagt und festgestellt, dass “man ... es dem allerheiligsten Sakrament gegenüber an Ehrfurcht und Achtung fehlen (lässt)
.Alle diese Missbräuche, die im Blick auf die Liturgie in der Instruktion aufgezählt werden, bedeuten “eine wirkliche Verfälschung der
katholischen Liturgie...”Es wird Thomas von Aquin zitiert: “Eine Verfälschung begeht, wer von seiten der Kirche Gott einen Kult in
anderer Weise darbietet, als er mit gottgewollter Autorität von der Kirche festgesetzt und in der Kirche üblich ist”.’
Die Instruktion fährt fort mit der lapidaren Feststellung: “All das kann keine guten Früchte bringen”. Die Frage ist zu stellen: Was
kann dann gute Früchte bringen, gute Früchte im Sinne der Kirche, im Sinne einer Erneuerung, einer innerlichen Erneuerung? Im Blick auf die Aussage des hl. Thomas beantwortet sich diese Frage so: Gute Früchte wird ein Kult bringen, der “mit gottgewollter
Autorität von der Kirche festgesetzt und in der Kirche üblich ist”.
Damit haben wir zugleich die Grundlage erarbeitet, mit deren Hilfe wir die Frage beantworten können, ob die Immerwährende
Anbetung des allerheiligsten Altarsakramentes als Versuch und Weg zur innerlichen christlichen Erneuerung tauglich ist (vgl. das Stichwort “Offensive nach Innen”!).
Es ist die Frage zu klären, ob Anbetung in dieser Weise, wie sie nun seit dein 21. März 1986 in der Pfarrgemeinde in Tirschenreuth
geübt wird, im Sinne der Kirche ist oder nicht.
Dass sie im Sinne der Kirche ist, Lind dass sie es sogar in eminenter Weise ist, ist bereits im Hauptteil dieser Abhandlung in Abschnitt
2 erarbeitet worden. Sie hat eine tiefe Tradition in Praxis und Lehre der Kirche. Man könnte im übrigen unseren gegenwärtigen Papst
ganz gewiss mindestens genauso als eucharistischen wie als marianischen Papst bezeichnen. Von ihm haben wirja bereits die Aussage
aus seinem Schreiben vom 24. Februar 1980 angeführt: “Die Belebung und Vertiefung der eucharistischen Frömmigkeit sind der Beweis für jene wahre Erneuerung, die das Konzil sich zum Ziel gesetzt hat’.
In Nr. 20 in “Inaestimabile donum” findet sich im Blick auf den “eucharistischen Kult außerhalb der Messe” die Aussage:
“Nachdrücklich empfohlen wird die öffentliche und private Verehrung der heiligsten Eucharistie auch außerhalb der heiligen Messe...”
In Nr. 27 derselben Instruktion ist von der Aufgabe der Priester die Rede, “den Gläubigen die Bedeutung der Liturgie ... darzulegen”.
Dieselbe Aufgabe wird sich beständig stellen genauso hinsichtlich der Anbetung des eucharistischen Herrn.
Zum Schluss soll eine der herausragendsten Vertreterinnen der katholischen Christenheit zu Wort kommen, Mutter Teresa von
Kalkutta. Im Informationsdienst “idu” in der Ausgabe vom 11. Juni 1987 finden sich zwei Ansprachen von ihr wiedergegeben. Laut
“idu” richtete sie in der Ansprache in der Wiener Pfarrkirche St. Rochus am Donnerstagabend, 4. Juni an die Österreicher auch die
Bitte, wenigstens einmal in der Woche in eine Kirche zur Anbetung zu gehen: “Vertraut auf die Macht des Gebets, vertraut auf Gott, glaubt an ihn und liebt ihn”.
Am 5. Juni hob sie bei einer Begegnung mit zwei Mädchenklassen einer Hollabrunner Schule “die Wichtigkeit des Gebetslebens für
ihr Wirken hervor, besonders die täglich einstündige Anbetung der hl. Eucharistie”. Wörtlich sagte sie: “Drängt eure Pfarrer, dass sie euch das schöne Geschenk machen, das Geschenk der Anbetung!”
4. Erfahrungen mit der Anbetung
Abschließend sei es nicht unterlassen, einen kurzen Blick darauf zu tun, welche Erfahrungen diejenigen Mitglieder der Pfarrgemeinde
in Tirschenreuth machen, die zur Anbetung kommen. Nach über fünf Jahren, und damit nach mehr als 250 Anbetungsstunden, die
die regelmäßigen und fest eingeschriebenen Anbeter vor dem Allerheiligsten zugebracht haben, hat sich nach meinen Beobachtungen
alles ziemlich fest und beständig eingespielt. Das Problem, eine Lücke zu schließen, stellt sich in der Regel nur dann, wenn jemand
krankheitsbedingt, beruflich oder evt. wegen einer Urlaubsfahrt abwesend ist. Aber auch hier sind die meisten so selbständig, dass sie
eigenständig, d.h., ohne die Priester zu beanspruchen, eine Vertretung aus dem Verwandten- oder Freundeskreis finden. Da oder dort
wird eine solche “Aushilfe” für den Betreffenden sogar zum Anstoß, regelmäßig zu kommen.
Jedenfalls sind die Anfangsschwierigkeiten inzwischen überwunden, die sich für viele in kleinen praktischen Dingen ergeben hatten:
Durch welche Tür kann die Kirche betreten werden? Wo und wann muss ich mich eintragen, wenn ich meine Stunde gehalten habe?
An wen wende ich mich, wenn ich eine Vertretung ganz kurzfristig benötige? Wie gestalte ich die Stunde? Wie komme ich nachts in
die Kirche? Was ist zu tun, wenn die Ablösung einmal nicht kommt? Diese Lind ähnliche Fragen haben sich für die Beter inzwischen alle geklärt.
Und was noch wichtiger ist: Es hat sich inzwischen ein stabiler und zuverlässiger Stamm von Betern herauskristallisiert, auf die in
jedem Fall Verlass ist. In der ersten Phase ergab sich diese Klärung im wesentlichen bereits, welche der angemeldeten Anbeter dabei
bleiben und welche wieder aufhören würden. Es war zu beobachten, dass die Zahl der “Voreiligen” sich in etwa die Waage hielt mit
der Zahl derjenigen, die eine längere Bedenkzeit in Anspruch nahmen und sich erst einige Wochen oder gar Monate nach dem Beginn der Immerwährenden Anbetung fest anmeldeten.
Die Äußerungen, die sich im Gespräch mit Anbetern bzw. auf direkte Befragung hin ergeben, lassen den Schluss zu, dass für die
Betreffenden in dieser Stunde “Gotteserfahrung” möglich wird, bzw. die Beziehung zu Gott in jedem Fall bewusst gesucht wird. Ein Student, H. B., 20 Jahre, hat es so ausgedrückt: “Ich habe mich zur Anbetung gemeldet, um im persönlichen Gebet den intensiven
Kontakt zu Gott zu finden ... Dabei konnte ich Gott gegenüber Menschen ins Gespräch bringen, die ich sonst vergessen hatte. Ich habe immer versucht, die Stunde kniend zu verbringen”.
Natürlich ergeben sich für den einzelnen immer wieder Schwierigkeiten, für manche, besonders in den frühen bzw. späten Stunden
des Tages, ist es der Kampf mit der Müdigkeit, der bei einzelnen bewusst als “Buße” aufgefasst wird. Vielen wird die Erfahrung
geschenkt, die in dem Wort Jesu verheißen ist: “Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen”. (Mt 11,28)
Eine Sparkassenangestellte, V H., 37Jahre, Mutter von zwei Söhnen (21 und 22 Jahre alt), erläutert ihre Motive für die Anbetung so:
“In erster Linie ruhig werden, Ruhe finden. In der Stille Gott begegnen, einfach da sein. In der Rückbesinnung auf die vergangene Woche Ihm alles übergeben, Familie und Arbeit, Atemholen!”
M. K., Hausfrau, drückt es so aus: jeden Montag von 19.00-20.00 Uhr beten wir vor dem Allerheiligsten und ich erfahre Kraft und
Stärke für die ganze Woche. Ich nehme alle meine Sorgen und Anliegen mit ... Der Montagabend bedeutet mir sehr viel und ich
möchte ihn nicht mehr missen; deshalb wünsche ich, dass viele andere Pfarreien genauso schöne Erfahrungen machen dürfen”.
Beim Großteil der Beter ist die persönliche Gottesbeziehung sehr lebendig. Dies drückt sich zusätzlich darin aus, dass die meisten zu
den regelmäßigen Sonntagsgottesdienstbesuchern zählen, die zudem auch während der Woche immer wieder im Gottesdienst zu
sehen sind. Aber es sind auch solche zu finden, die nicht regelmäßig zur Messe kommen. Eine Frau meldete sich sogar ausdrücklich
mit der Begründung, sie wolle Abbitte tun, weil sie bisher am Sonntag nicht immer zum Gottesdienst gehe.
Bei einer Reihe von Betern ist mir bekannt, dass sie durch das Gebet große persönliche und familiäre Probleme durchzutragen
versuchen. Gerade für solche bleibt die seelsorgerische Begleitung durch den Priester unerlässlich.
All das aber, was vor dem Allerheiligsten geschieht, mehrt den Lobpreis des Lammes”, das geschlachtet wurde” und den Lobpreis
dessen, “der auf dem Thron sitzt”, dem “gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit”. (Offb. 5,12.13)
entnommen aus: Witt, Georg Maria, Offensive nach Innen, Tirschenreuth 1992, S. 15-26
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