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45. Eucharistischer Weltkongress Sevilla, 7.-13.6.1993

Christus - Licht der Völker

Aus dem Grundtext zum
45. Eucharistischen Weltkongress

Einführung: Eine Zeit der Gnade

Die Kirche, bewegt vorn Heiligen Geist, schafft Zeiten und Räume der Gnade, wenn sie bestimmte Anlässe mit einem besonderen religiösen Inhalt und mit besonderen Mitteln der Heiligung versieht, bei denen sie die gläubige Gemeinde dazu aufruft, ihr Leben und ihren Sendungsauftrag zu erneuern.

Der 45. Eucharistische Weltkongress, der in Sevilla (Spanien) vom 7. bis zum 13. Juni 1993 stattfindet, stellt eine besondere Gnade sowohl für diese Ortskirche als auch für die gesamte Weltkirche dar, die zusammengerufen wird, um das Geheimnis der Eucharistie in größerer Fülle zu erkennen und es öffentlich anzubeten.

Das Thema des Kongresses, “Christus, Lumen Gentium” (Christus, Licht der Völker), wird der Sorge gerecht, die der Geist in der Kirche unserer Tage geweckt hat, indem er sie zu einer neuen Evangelisierung ermutigt, deren Dringlichkeit die letzten Päpste in ihren vor nicht langer Zeit veröffentlichten Dokumenten anerkennen.1 Diese Dringlichkeit ergibt sich ständig aus der Eucharistie, die “Quelle und Höhepunkt aller Verkündigung des Evangeliums” ist.2

Diese Verbindung zwischen Eucharistie und Evangelisierung ist auch jetzt bei uns “Gedächtnis” eines historischen Ereignisses, das nicht nur für die Kirche Spaniens und Lateinamerikas, sondern für die gesamte katholische Kirche von besonderer Bedeutung und Tragweite ist: Der 500. Jahrestag der Evangelisierung Amerikas. Darauf wies Papst Johannes Paul II. hin, als er bei dem Abschluß des 44. Eucharistischen Weltkongresses in Seoul am 8. Oktober 1989 den 45. Kongress für das Jahr 1993 in Sevilla ankündigte. So wird die thematische (Evangelisierung), chronologische (1992-1993) und geografische (Sevilla) Koinzidenz für uns zu einer zugleich beglückenden und ermutigenden Ermahnung, die uns drängt, jene Evangelisierung zu überprüfen, damit wir aus ihr lernen, die gegenwärtige Evangelisierung zu stärken, um sie in ihrer ganzen Kraft zu entfalten, und die neue Evangelisierung zu fördern, um all ihre Forderungen anzunehmen.

Eine unvoreingenommene und umfassende Rückbesinnung auf die Wurzeln des Glaubens (erste Evangelisierung Europas durch Petrus und Paulus) und auf die historischen Augenblicke der Evangelisierung der Welt (unter denen die evangelisierende Begegnung mit den “neuen Welten” Amerikas sich besonders hervorhebt) wird uns ermutigen, auf der Grundlage dessen, was die Vergangenheit uns lehrt und die Gegenwart von uns dringend fordert, die neue Evangelisierung der Zukunft voranzutreiben.

Dabei müssen wir uns all das vor Augen halten, was der lateinamerikanische Episkopat auf seinen großen Versammlungen von Medellin (1968) und Puebla (1979) gefordert hat, alles, was in Europa über die “neue Evangelisierung” gesagt und gedacht wurde, und ebenso den “Seelsorgsplan” der Spanischen Bischofskonferenz für den Zeitraum 1990-1993, dessen allgemeines Ziel es ist, “einer neuen Evangelisierung Impulse zu verleihen”.

Christus, Licht und Leben der Welt

Jesus Christus, das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. (Joh 1, 9). So verkündet es das Neue Testament. Deswegen verwendet Matthäus (vgl. 4, 16) für Jesus bei seiner Einführung in sein Hirtenamt in Galiläa die Worte des Jesaja: “Das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen” (Jes 9, 1).

Johannes bestätigt dies im Prolog, der Synthese und Einführung in sein Evangelium ist, in dem er Christus als Wort Gottes vorstellt: “In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt” (1,4-5).

Die messianische Befreiung ist vor allem Erleuchtung. So sagt es auch Lukas bei der Schriftlesung in Nazaret (vgl. 4 , 16ff.), wobei er ebenso Jesaja 61, 1 L zitiert: Jesus ist gekommen, um den Blinden das Augenlicht zu geben. Johannes läßt Jesus folgende Selbstdarstellung von sich geben: “Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben” (Joh 8, 12). Als schöpferisches Wort ist ER “das Licht der Menschen” (Joh 1, 4). Seine Ankunft in der Welt ist das Licht, das all jene rettet, die auf die Finsternis verzichten (Joh 3, 18-21). Das Wunder der Heilung des Blinden ist Vision, d. h. Leben und Erlösung für den, der glaubt, und im Gegensatz dazu wird es zur Blindheit, d.h. zur Verdammnis, für diejenigen, die nicht glauben.

Jesus ist das Licht, denn er gibt den Menschen die Kenntnis von Gott, er zeigt ihnen den Weg der Erlösung: Jesus ist das Licht durch die Liebe, wie es der erste Brief des Johannes erklärt (vgl. 1 Joh 2, 3-11). Da Jesus vom Vater Kunde gebracht hat (vgl, Joh 1, 18), ist er der vom Licht erfüllte Weg (vgl. Joh 8, 12), durch den der Mensch zum Vater kommt (vgl. Joh 14, 6).

Jesus erscheint als Leben und Spender des Lebens häufig im vierten Evangelium. Die Heilung des Sohnes des königlichen Beamten und die des Gelähmten kreisen um das Thema des Wortes des Lebens. Das Zeichen der Vermehrung des Brotes zeigt Jesus als Brot des Lebens und die Bedeutung der Auferweckung des Lazarus gipfelt in der Selbstdarstellung Jesu: “Ich bin die Auferstehung und das Leben” (Joh 11, 25).

Der Herr ist gekommen, damit jeder, der glaubt, durch ihn das ewige Leben hat (vgl. Joh 3, 5). Das Fleisch Christi ist das Leben der Welt (vgl. Joh 6, 5), jeder, der ihn isst, wird durch ihn leben (vgl. Joh 6, 57). Der Gute Hirte kommt, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10, 10). “Licht” und “Leben” sind eng miteinander verbunden, gleichsam, um uns zu erklären, dass das Leben, das in Christus als Wort Gottes war, für die Menschen das Licht bedeutet.

Eucharistie und Evangelisierung

Die Eucharistie ist das zentrale sakramentale Wirken der Kirche in der Zeit, durch welches die durch Christus verwirklichte Erlösung fortgeführt und aktualisiert wird für alle Zeiten über die sakramentale, reale und einzigartige Präsenz Christi selbst, der gestorben und auferstanden ist, der durch das Wirken des Heiligen Geistes der ständige Urheber und Verwirklicher der Erlösung selbst ist. Die Eucharistie ist nicht etwas, sie ist jemand; sie ist nicht nur die Wirkung oder das Heilswerk Christi, sie ist vielmehr Christus der Erlöser selbst, der aus der Integrität seines Mysteriums, seines Lebens und seiner Sendung erlöst. Dies führt uns dazu, zu bestätigen, dass Christus, der in seinem irdischen Leben Träger und Inhalt der Evangelisierung war, dies auch weiterhin in seiner Präsenz und dem sakramentalen Wirken durch die Eucharistie ist. In der Eucharistie lädt uns der verherrlichte Christus ein, mit ihm den Weg zu gehen, den er mit den Jüngern nach Emmaus ging (vgl. Lk 24, 13-35), von ihm die Deutung des Wortes zu hören und durch ihn an die erlösende Kraft Gottes zu glauben.

Der Auferstandene kündet von neuem sakramental die Evangelisierung durch die Kirche in der Versammlung an: “Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt” (1 Kor 11, 26).

Es besteht also eine enge Verbindung zwischen Christus, dem Träger der Evangelisierung, der evangelisierenden Kirche und der Eucharistie als Zeichen der erfüllten Evangelisierung und einer Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Die Eucharistie ist das Sakrament, in welchem der Evangelisierungsauftrag der Kirche besonders zum Ausdruck kommt und verwirklicht wird.3

Sakramente und Evangelisierung

Der Reichtum des evangelisierenden Inhalts der Eucharistie muss in verschiedener Weise und durch verschiedene Mittel entfaltet werden, unter denen das Wort, die Sakramente und das Zeugnis der Liebe einen besonderen Rang einnehmen. Alle diese Mittel stehen in Zusammenhang miteinander, sie ergänzen sich gegenseitig und stehen in einer gegenseitigen Wechselwirkung zueinander. Alle wirkliche Evangelisierung muß sakramentalen Charakter haben und eine Ausrichtung auf das Sakrament beinhalten. Jede echte sakramentale Feier muss evangelisierenden Charakter haben und die Aufgabe der Evangelisierung fördern. Die Priorität, die einem Aspekt gewidmet wird, darf nicht der Grund sein, einem anderen weniger Bedeutung beizumessen.4

Alle Sakramente, insbesondere jedoch die Eucharistie, müssen Gegenstand der Evangelisierung sein, so dass sie in angemessener Form in den Glaubensinhalt, in die Feier des Geheimnisses und in das praktische Leben integriert werden können. Außerdem aber sind alle Sakramente, und insbesondere die Eucharistie, Mittel, die zur Evangelisierung hinführen und sie vertiefen, wenn auch jedes einzelne Sakrament diesen evangelisierenden Aspekt auf seine Weise von einer besonderen Situation aus und über einen eigenen Inhalt und eigene Zeichen verwirklicht.

Sollen die Sakramente ihre gesamte evangelisierende Kraft entfalten, so ist es notwendig, dass sie von einer erneuerten sakramentalen Pastoral begleitet sind. Es kann keine echte sakramentale Pastoral geben, wo nicht eine Pastoral der Evangelisierung vorausgegangen ist; noch kann es eine konsequente gemeinschaftliche Pastoral geben. Sakramente spenden, ohne Bekehrung zu wollen, führt normalerweise zu einer Instrumentalisierung des Sakraments und die Bekehrung hat keinen Bestand.

Die Eucharistie, Gipfelpunkt der Evangelisierung

Wenn alle Sakramente evangelisierenden Charakter haben, so ist die Eucharistie “das zentrale Sakrament der Evangelisierung”5. Das Evangelium selbst hebt ihren besonderen Charakter als Höhepunkt hervor, wie es ihre Ausrichtung auf das österliche Geschehen zeigt; Bekehrung, Gemeinschaft, Liebe, Versöhnung, österlicher Glaube, brüderliche Liebe, ewige Hoffnung ...

Die Eucharistie ist ebenfalls Mittelpunkt der Evangelisierung, denn sie ist der Mittelpunkt der Kirche, der Mittelpunkt allen christlichen Lebens. Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und der letzten Päpste haben dies auf verschiedene Weise bekräftigt:

“Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt allen christlichen Lebens”6 und da sie der Mittelpunkt der Liturgie ist, “ist sie der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt ...7. “ Die Eucharistie erscheint als Quelle und Höhepunkt aller Evangelisierung”.8

Da die Eucharistie die lebendige Gegenwart Christi im Herzen der Kirche selbst ist, so ist sie auch der Mittelpunkt, in dem sich alle Dimensionen und Funktionen des Sendungsauftrags, den die Kirche von Christus erhalten hat, kondensieren und artikulieren, zu dem sie streben und aus dem sie hervorgehen, in dem sie sich manifestieren und verwirklichen. Und die Kirche bemüht sich, in ihrem Leben diesen Sendungsauftrag zu erfüllen.

Das gesamte christliche Leben findet in der Eucharistie seinen Mittelpunkt und Sinn, seine erneuernde Anregung und Kraft. Die Eucharistie ist der Ort der Evangelisierten und der Träger der Evangelisierung, der Augenblick der Erneuerung der Verpflichtungen zur Evangelisierung. Jede echte Teilnahme an der Eucharistie muß eine “Aktualisierung” unseres persönlichen und gemeinschaftlichen Zustands als Evangelisierte und unseres Auftrags zur Evangelisierung mit sich bringen.

Die Eucharistie, Quelle der Evangelisierung

Die Eucharistie ist der Mittelpunkt der Evangelisierung, doch ist ihr unmittelbares Ziel nicht die missionarische oder grundsätzliche Evangelisierung. Ihre Art der Evangelisierung (ebenso wie die gesamte Liturgie) ist “mystagogisch”, d.h. sie erfolgt durch das Wort und das Zeichen, die sich in der liturgischen Feier für die Versammlung entfalten, welche, auf ganzheitliche und umfassende Weise verstanden, drei Momente beinhaltet: den vor der Feier, den in der Feier und den nach der Feier.

a) Evangelisierung für die Eucharistie: Katechese

Die Eucharistie ist evangellsierend “vor” ihrer Feier, weil sie der zentrale Inhalt ist, der die evangelisierende und katechetische Tätigkeit erleuchtet; weil sie deren Horizont und Ziel darstellt; weil sie zuvor eine Erklärung ihrer Dynamik und ihres Sinns erfordert; weil sie eine rechtzeitige Pädagogik der Einführung und Teilnahme erfordert.

Wenn der Ausdruck und die liturgische Feier des Glaubens integrierender Bestandteil der Katechese sind, so ist auch die Katechese integrierender Bestandteil der Eucharistie. Nur wenn “mit allen Mitteln die liturgische Katechese eingeprägt wird”9, und “wenn die Seelsorger eifrig und geduldig bemüht sind um die liturgische Bildung und die tätige Teilnahme der Gläubigen, die innere und die äußere, je nach deren Alter, Verhältnissen, Art des Lebens und Grad der religiösen Entwicklung...”10, können die Gläubigen die Eucharistie als die “erste und unentbehrliche Quelle, aus der sie wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen”11, betrachten. In diesem Kontext und in diesem Sinn ist alle auf die Eucharistie oder an der Eucharistie orientierte Katechese zu verstehen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene); ebenso die Vorbereitung der Sonntagsmesse für die verschiedenen Gruppen mit einer Reflexion und Bibelkatechese oder Reflexion über andere liturgische Texte und ebenso weitere “ergänzende” Feiern (Stundengebete, Wortgottesdienste, Vigilien, andere Sakramente ... ), die ihren Bezugspunkt in der Eucharistie haben.

b) Evangelisierung innerhalb der Eucharistie: Feier

Für diejenigen, die aufrichtig an der Eucharistie teilnehmen, enthält diese aufgrund ihrer Struktur und Dynamik, aufgrund ihres Sinns und Inhalts, aufgrund ihrer verändernden Kraft und ihres Lebens ein wirkliches “evangelisierendes Kapital”, in dem alle außereucharistischen Aktionen der Evangelisierung zusammenfließen und von dem sie alle abhängen. Wie die Konstitution über die heilige Liturgie sagt: “Obwohl die heilige Liturgie vor allem Anbetung der göttlichen Majestät ist, birgt sie doch auch viel Belehrung für das gläubige Volk in sich ...”12

In den “Einführungsriten” bringt die Versammlung die Annahme und die Versöhnung, die Gemeinschaft und die Gemeinsamkeit zum Ausdruck und erlernt diese; in der “Wortliturgie” hört sie von neuem den Aufruf Gottes, der ihren Glauben erleuchtet, bekehrt und erneuert mit der aktuellen und wirksamen Verkündigung der Wunder Gottes in der Erlösungsgeschichte, mit Anwendung auf das Leben. In der “eucharistischen Liturgie” erfährt sie von neuem, was Solidarität und Dienst, Liebe und Hingabe bis zum Tod, Opfer und Verpflichtung gegenüber den anderen, die befreiende Erlösung ist ... ; und in den “Schlussriten” spürt sie von neuem die Verpflichtung und die Dringlichkeit der Sendung, die Aktualität eines Auftrags, in der Kirche und in der Welt das Werk Christi in seiner Fülle präsent zu machen und zu fördern”.13

c) Evangelisierung nach der Eucharistie: Verpflichtung

Die aufrichtige Teilnahme an der Eucharistie ist permanente Selbstevangelisierung für die ständige Evangelisierung. “Wenn der Bund Gottes mit den Menschen in der Feier der Eucharistie neu bekräftigt wird, werden die Gläubigen von der drängenden Liebe Christi angezogen und entzündet.”14 In der Tat feiert der Christ nicht nur die Eucharistie, sondern er soll eine eucharistische Existenz führen, deren Mysterium und Dynamik er verlängert, oder indem er das, was er im Sakrament gefeiert hat, zu Werken der Liebe und Gerechtigkeit macht, womit er in der Weit und in der Gesellschaft jene hingebungsvolle Liebe, jene Solidarität und jenes Neue, das er in der eucharistischen Versammlung erlebt, verkündet und bezeugt.

Eucharistie und Versöhnung

Der Mensch strebt nach der Versöhnung, aber die Menschen leben häufig im Gegensatz zueinander und untereinander gespalten. Diese Realität und dieses Sehnen erleidet und erlebt auch die christliche Gemeinschaft, wo immer sie sich befindet. Im österlichen Geheimnis Christi wurden alle Dinge, die gesamte Menschheit, mit dem Vater versöhnt und so wurde die verlorene Freundschaft wiedererlangt.15

Durch dieses Geheimnis wurden die Sünde und die Nichtversöhnung an das Kreuz geheftet; der Teufelskreis des Hasses und der Rache wurde gesprengt und eine neue Situation wurde geschaffen für den Sieg über die Spaltung und den Haß (vgl. Kol 2, 14; Hebr 9, 11-12; Joh 8,34-36).

a) Die Eucharistie “fordert die Versöhnung”: Man darf nicht die Gabe opfern, ohne sich zuerst mit seinem Bruder versöhnt zu haben (vgl. Mt 5,23-24).

b) Die Eucharistie “feiert die Versöhnung” , die ein für allemal durch Christus am Kreuz erwirkt wurde. Das Opfer, bei dem “sein Blut vergossen wird für die Vergebung der Sünden”, wird in der Eucharistie gefeiert und sakramental erneuert (vgl. 1 Kor 11, 26). Daher sprechen die Hochgebete vom “Opfer der Versöhnung”, vom “Gedächtnis unserer Versöhnung”, vom “Geheimnis” und der “Opfergabe der Versöhnung”.

c) Die Eucharistie “verwirklicht und fördert wirksam die Versöhnung” bei denjenigen, bei denen die wirkliche Bereitschaft dazu vorhanden ist. Deswegen wird vertrauensvoll darum gebetet, “dass das Opfer der Versöhnung der ganzen Welt den Frieden und die Rettung bringen möge” und “uns die Freundschaft mit Gott wiedergeben möge”16.

d) Die Eucharistie ist auch “die Verpflichtung zur Versöhnung” , denn in ihr erneuert die Versammlung und jeder einzelne, der an ihr teilnimmt, seinen Bund mit Gott und seine brüderliche Solidarität mit den Brüdern; er betet für die Versöhnung und er verpflichtet sich zu ihr.

Eine Eucharistie, in der die Versammlung die Aufgabe des Versöhnens und Befriedens dort, feiert und lebt und annimmt, wo sich Nichtversöhnung und Haß zeigen, ist in Wahrheit evangelisierend, denn sie legt das Zeugnis ab, das bekehrt und zum Glauben aufruft.

Schlussfolgerung

“Das Wort Gottes”, durch das alles geworden ist, ist selbst Fleisch geworden und ist, auf der Erde der Menschen wohnend, als wirklicher Mensch in die Geschichte der Welt eingetreten, hat sie sich zueigen gemacht und in sich zusammengefaßt. Er offenbart uns, “dass Gott die Liebe ist” (1 Job 4, 8), und belehrt uns zugleich, dass das Grundgesetz der menschlichen Vervollkommnung und deshalb auch der Umwandlung der Welt das neue Gebot der Liebe ist ...

Durch seine Auferstehung zum Herrn bestellt, wirkt Christus, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, schon durch die Kraft seines Geistes in den Herzen der Menschen dadurch, dass er nicht nur das Verlangen nach der zukünftigen Welt in ihnen weckt, sondern eben dadurch auch jene selbstlosen Bestrebungen belebt, reinigt und stärkt, durch die die Menschheitsfamilie sich bemüht, ihr eigenes Leben humaner zu gestalten und die ganze Erde diesem Ziel dienstbar zu machen.

Alle aber befreit er, damit sie durch Absage an ihren Egoismus und unter Dienstbarmachung aller Naturkräfte für das menschliche Leben nach jener Zukunft streben, in der die Menschheit selbst eine Gott angenehme Opfergabe wird.

Ein Angeld dieser Hoffnung und eine Wegzehrung hinterließ der Herr den Seinen in jenem Sakrament des Glaubens, in dem unter der Pflege des Menschen gewachsene Früchte der Natur in den Leib und das Blut des verherrlichten Herrn verwandelt werden zum Abendmahl brüderlicher Gemeinschaft und als Vorfeier des himmlischen Gastmahls.”17

“Die Güter menschlicher Würde, brüderlicher Gemeinschaft und Freiheit..., alle guten Erträgnisse der Natur und unserer Bemühungen, müssen im Geist des Herrn und gemäß seinem Gebot auf Erden gemehrt werden-, dann werden wir sie wiederfinden, gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt, dann nämlich, wenn Christus dem Vater “ein ewiges allumfassendes Reich übergeben wird: Das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens”. Hier auf Erden ist das Reich schon im Geheimnis da; beim Kommen des Herrn erreicht es seine Vollendung.”18

1Wichtigste Dokumente jüngeren Datums: Paul VI., Evangelii Nuntiandi, Die Evangelisierung in der Welt von heute (= EN); Johannes Paul 11., Christifideles Laici (= Chl,); Johannes Paul 11., Redemptoris Missio. Vgl. z.B. ChL, 34-35

2 Vgl. SC Nr. 9; PO Nr. 5, 11; SC Nr, 10

3 Vgl. LG Nr. 3; vgl. LG Nr. 17

4 Vgl. EN Nr. 47

5 Vgl. Mt 26, 17-25; 1 Kor 11, 23, 2, Joh 6; Mk 8, 1-10; 1 Kor 11, 20; Apg 2, 42-46; 1 Kor 10, 14-22; 11, 17-26

6 LG Nr. 11; vgl. DV Nr. 21

7 SC Nr. 10; vgl. PO Nr. 5; vgl. Instruktion über Feier und Verehrung des Geheimnisses der Eucharistie Nr, 1-6

8 PO Nr. 5

9 Vgl. SC Nr. 33, 5

10 SC Nr. 19

11 SC Nr. 14

12 SC Nr. 33~ vgl. Nr. 59

13 Dokument zum Eucharistischen Weltkongress in Lourdes 1981, “Jesus Christus, das Brot, gebrochen für eine neue Welt”, Kap. 1

14 SC Nr. 10; vgl. PO Nr. 6

15 Vgl. III.Hochgebet

16 Vgl. auch “Die Feier der Buße”, Nr. 67; vgl. auch Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Reconciliatio ei paenitentia, Nr. 27 (der dem Sakrament der Eucharistie gewidmete Teil)

17 Vgl. GS Nr. 38

18 GS Nr. 39

 

Eucharistie und Neu-Evangelisierung

Eine Herausforderung für die Eucharistischen Kongresse

Von Kardinal Paul Poupard, Vatikan (Aus einem Vortrag, gehalten bei der Tagung der Nationaldelegierten 1991 in Rom, zur Vorbereitung des 45. Eucharistischen Weltkongresses 1993 in Sevilla.)

Abbröckeln von Werten und Leitbildern

Wenn es möglich war, von “Leitbildern” in der industriellen Gesellschaft zu sprechen, dann scheint es richtiger zu sein, die post-industrielle Gesellschaft als Abbröckeln von Wertvorstellungen und Verschwinden von Leitbildern zu definieren. Niemand scheint durch soziologisch zwingende Leitbilder gebunden zu sein, sondern es entsteht eine große Leere. Noch vor dreißig Jahren wurden Wertvorstellungen wie selbstverständlich innerhalb der Familie vermittelt. Die Eltern wollten zu Recht das Beste von sich an ihre Kinder weitergeben. Heute erfüllt der familiäre Kern, der auf ein Minimum reduziert und häufig gestört ist, diese Funktion der Bildung, die ich gerne in ihrer etymologischen Bedeutung “traditionelle Bildung” nennen möchte, nicht mehr; d.h. Bildung, die Weitergabe sein soll, und zwar nicht nur von Wissen und Haben, sondern von einer Art des Seins, eines “Bei-sich-selber-Seins” für die Welt und für Gott.

Relativierung, d.h. Verlust der absoluten Bedeutung von Werten, Verblassen von Leitbildern zugunsten einer Vielzahl unvergänglicher Idole, das sind zwei wesentliche Bestandteile unserer Gesellschaft. In der industriellen Gesellschaft bestand eine wirkliche Homogenität von Grundwerten und eine große Vielfalt von Lebensbedingungen. In der post-industriellen Gesellschaft hingegen ähneln sich die Lebensbedingungen viel stärker, und es gibt dort ein viel breiteres Spektrum von Werten. Ohne Homogenität vervielfältigen sich ihre Werte, verlieren aber gleichzeitig an Konsistenz, so wie Brotkrümel, die unter dem Messer zerbröseln und dann vom Tisch fallen.

Weil die Kirche “in” der Welt lebt, ohne “von” der Welt zu sein, teilt sie das historische Schicksal der Menschen und der Gesellschaften, ohne sich jemals mit ihrer Zukunft zu identifizieren. Es ist noch gar nicht so lange her, daß die herrschende Intelligenzschicht des Westens den Marxismus für eine siegreiche universalistische Ideologie hielt, die jedem Menschen jederzeit und überall Gründe zu leben, zu denken und zu handeln liefern konnte. Diese mörderische Ideologie des Menschen, eine echte Logik des Nichtglaubens, hat sich unter der Maske der bereits vom Apostel Johannes beschriebenen dreifachen Begierde mit den funkelnden Eigenschaften des Lichtengels hervorgetan. Ideologische Verführung, emotionale und unkritische Verlockung durch eine vermeintlich edle Sache, die von den monströsen Absurditäten des Gulag und des kambodschanischen Völkermords verschlungen wird. Johannes Paul II. hat den Ereignissen in Mittel- und Osteuropa und in den baltischen Ländern seit 1989 in seiner Enzyklika “Centesimus annus” ein ganzes Kapitel gewidmet. Diese Ereignisse und das, was vor kurzem im Äthiopien geschehen ist, bringen letztendlich, wenn das überhaupt noch notwendig ist, ein System in Verruf, das den Menschen vernichtet, weil es seine kulturellen und spirituellen Dimensionen ignoriert. Aber wie schon ein madagasisches Sprichwort sagt: “Der Baum fällt, aber gleichzeitig drückt er die anderen Bäume nieder!”

In diesem außergewöhnlichen Kontext müssen wir Christen das Evangelium verkünden, die Eucharistie feiern und leben. In einer solchen Perspektive müssen sich die Eucharistischen Kongresse noch entschlossener zur Person Christi, dem Wort Gottes, dem Schöpfer des Universums, Erlöser und Brot des Lebens für den Menschen und Verfechter der Freiheit, hinwenden.

Hunger nach Wahrheit, Freiheit und Brüderlichkeit

Centesimus annus behandelt mit großem Weitblick diese grundlegende Frage der Freiheit. Nach den Ereignissen in den Ländern des ehemaligen kommunistischen Blocks ist die Freiheit für Millionen von Männern und Frauen, die über ein halbes Jahrhundert lang mundtot gemacht wurden, zum Symbol einer schmerzlich und geduldig erhofften Auferstehung geworden. Unter diesen Umständen ist die Kirche Zuflucht und Stütze für jene gewesen, die darum gekämpft haben, um die Freiheit und den Gebrauch der grundlegenden Menschenrechte wieder zu erlangen. Im Namen der Würde des Menschen hat sich die Kirche zum Herold der Freiheit gemacht: “Darum macht sich die Kirche, die stets die transzendente Würde der Person beteuert, die Achtung der Freiheit zur Regel.” Aber wozu die Freiheit? Die tatsächlichen Verhältnisse, in denen die Waisen des Marxismus zurückgelassen wurden, stellen jene in vielerlei Hinsicht in eine kulturelle, spirituelle und menschliche Wüste, in der jene von der Freiheit neu Enttäuschten einer Fata

Morgana zum Opfer fallen, die Hoffnung und Liebe tötet. Egoismus, Unabhängigkeit, Selbstgefälligkeit und Habenwollen ... so viele trügerische Illusionen, die den Menschen in seinem tiefsten Innern verletzen. Jenen, die das Herannahen einer ungewissen Freiheit geduldig erhofften und erwarteten, sagt die Kirche mit Johannes Paul 11.: “Aber die Freiheit erhält erst durch die Annahme der Wahrheit ihren vollen Wert. In einer Welt ohne Wahrheit verliert die Freiheit ihre Grundlage, und der Mensch ist der Gewalt der Leidenschaften und offenen oder verborgenen Bedingtheiten ausgesetzt. Der Christ lebt die Freiheit und dient ihr, indem er seinem Sendungsauftrag getreu, die Wahrheit, die er erkannt hat, immer wieder anbietet.”

Die pastorale Vorbereitung der Eucharistischen Kongresse wird von diesen wesentlich menschlichen Realitäten, von denen unsere Zeit geprägt ist, ausgehen müssen. Dem Menschen des Jahres 2000, der die Freiheit über alles liebt und auf der Suche nach Wahrheit und Brüderlichkeit ist, bieten wir den eucharistischen Christus an, das Herz der Familie derer, die Geschwister in dem eingeborenen Sohn geworden sind. Christus, der in der Eucharistie als Opfergabe gegenwärtig ist, ist “der Weg, die Wahrheit und das Leben”. Den durch trügerische Ideologien desillusionierten Menschen gibt er sein neues Gebot: die Liebe. Und er setzt es in die Tat um: Er wäscht die Füße seiner Jünger zum Zeitpunkt der Einsetzung seines “Gedächtnisses” und bietet ihnen seine eucharistische Gegenwart an, bevor er sich selbst auf dem Altar des Kreuzes als das vollendete Opfer darbringt. Dieser Jesus ist allein in der Lage, die Bestrebungen unserer Mitmenschen, die nach Freiheit, Wahrheit und Solidarität dürsten, zu erfüllen.

Eucharistischer Weltkongress als Statio

Die Eucharistischen Kongresse sind als “statio” zu verstehen, zu der eine Ortskirche die anderen Kirchen einer Region oder eines Landes, ja sogar der ganzen Welt, einlädt, um das Geheimnis der Eucharistie zu verehren und unter gewissen Gesichtspunkten tiefer zu erfassen und unter dem Zeichen der Liebe und Einheit öffentlich zu bekennen.

Das wahre Erbe Christi

Die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie wird durch Jesu eigene Worte, die in jeder hl. Messe vom Priester wiederholt werden, bekräftigt. Was ist klarer und deutlicher als diese doppelte Bekräftigung am Vorabend seines blutigen Opfertodes am Kreuz: “Das ist mein Leib, das ist mein Blut”. Jesus spricht diese Worte voller Realismus in einem dramatischen Augenblick. Als seine letzte Stunde gekommen war, hinterläßt der Meister seinen Jüngern keinen materiellen Reichtum, sondern das neue Gebot der gegenseitigen Liebe und den Schatz seiner eucharistischen Gegenwart ...

Aber in der Eucharistie übersteigt seine Gegenwart unsere Vorstellungskraft. Jesus Christus, der für uns am Kreuz gestorben und am Ostermorgen auferstanden ist, ist gegenwärtig unter den sichtbaren Zeichen von Brot und Wein in seiner menschlichen Natur, die er aus der Jungfrau Maria angenommen hat und in der er für unser Heil gelitten und am Kreuz gestorben ist, bevor er verherrlicht wurde. Paul VI. schrieb diesbezüglich: “Diese Gegenwart wird zwar ‚wirklich’ genannt, nicht im ausschließenden Sinn, als ob die anderen nicht ‚wirklich’ wären, sondern hervorhebend, weil sie substantiell ist, weil sie die Gegenwart des ganzen und vollen Christus, des Gottmenschen, mit sich bringt.” Christus ist auf verschiedene Weisen in der Kirche wahrhaft, wirklich und immerdar gegenwärtig. Er wohnt mit dem Vater und dem Heiligen Geist im Herzen aller Getauften und schenkt ihnen ein Leben aus seiner Gnade. Alle diese Weisen der Gegenwart sind ganz wirklich und wahr. Die Gegenwart Christi in der Eucharistie, die mit den anderen Weisen der Gegenwart keineswegs im Widerspruch steht oder sich gegen sie stellt, verleiht ihnen eine neue Dichte. Alle Weisen der Gegenwart Christi in der Kirche sind auf die Eucharistie hingeordnet, in der das Wort Gottes sich “substantiell” hingibt.

Die Frucht der Eucharistischen Anbetung

Die Anbetung des in der Eucharistie gegenwärtigen Christus ist eine Quelle des Lebens und der Wahrheit für jeden Gläubigen und für die gesamte Kirche. Die oft drückende Atmosphäre, in der wir leben - so ohnmächtig wir auch sind vor dem Anblick des Verfalls, von dem die Gesellschaft fast überall in vielen Bereichen betroffen ist -, verändert sich schlagartig in der Begegnung mit dem eucharistischen Christus. Im Sakrament seiner Liebe läßt Christus die Begeisterung und die Freude darüber wieder aufleben, in die Welt zurückzukehren und ihr die Frohe Botschaft zu verkünden: “Wir sind dem Herrn begegnet!” Die Kirche und die Welt brauchen eine eucharistische Kultur sehr dringend.

Brüderlichkeit

Das Wesen des Glaubens entscheidet sich nach der Art und Weise, wie wir die Liebe Gottes leben und Christus im Herzen der Welt vergegenwärtigen. In einer Gesellschaft, in der anscheinend jeder nach Profit strebt und auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, ist der Mensch des 20. Jahrhunderts stets überrascht, wenn er einen Strahl selbstloser Liebe leuchten sieht. Die Eucharistie, das Sakrament der Liebe, lädt die Seelsorger und Gläubigen keineswegs dazu ein, die konkreten und oft schwierigen Lebensumstände ihrer Brüder zu ignorieren; ganz im Gegenteil, sie drängt diese dazu, in jedem Menschen einen Bruder zu sehen, den es zu lieben gilt. Unter diesem Blickwinkel ist die Option für die Armen die Antwort darauf, was der eucharistische Christus von jedem Getauften und von seiner ganzen Kirche erwartet. Der Mensch, jeder Mensch, mein Nächster, mein Bruder, den es nach Gerechtigkeit und Frieden dürstet, wird sodann in höchste Verwunderung geraten und unter einem liebevollen Blick neue Hoffnung schöpfen. Das ist so, als käme in unser menschliches - zu oft unmenschliches - Universum plötzlich etwas aus einer anderen Welt. Plötzlich ist der Mensch entwaffnet vor der Selbstlosigkeit, ist empfänglich für echte Menschlichkeit. Somit wird die von den Christen gegenüber ihren Mitmenschen gezeigte Brüderlichkeit zum “Sakrament” der Liebe Gottes.

Spirituelles Erwachen

Die durch Papst Johannes Paul II. wachgerufene Neuevangelisierung will auf die Erwartungen der Menschen eine entschiedene Antwort geben. Die Herausforderungen der gottlosen Gesellschaften und Kulturen gilt es anzunehmen, denn sie sind letztendlich immer gegen den Menschen gerichtet. Die Hoffnung wird heute durch die Mißstände, mit denen alle Gesellschaften behaftet sind, auf eine harte Probe gestellt. Die jungen Leute sind häufig verunsichert und wollen um jeden Preis ausbrechen. Viele sind auf der verzweifelten Suche nach dem verlorenen Paradies, auch wenn es ein künstliches ist. Doch gibt es unter den Christen heute auch ein echtes spirituelles Erwachen. Immer mehr wollen das kontemplative Beten wiederentdecken und das apostolische Wirken auf ein echtes spirituelles, von den Sakramenten genährtes Leben gründen.

Christus - Licht der Völker

Meditation zum Symbol des Weltkongresses

In wenigen, groben Strichen gezeichnet: das Kenn-Zeichen für den Eucharistischen Weltkongreß 1993 in Sevilla. Und doch steckt in ihm das ganze Geheimnis unseres Glaubens.

Da ist das Kreuz, der Tod. Aber das Kreuz steht nicht nur für den Tod Jesu Christi, den er für uns gestorben ist. In ihm offenbart sich die unendliche Liebe Gottes, die bis zu diesem Äußersten geht. In Jesus Christus wurde Gott Mensch, das ist der Beginn des Kreuzwegs. Die Wurzel des Kreuzes liegt im Stall von Betlehem. Das Nachtdunkel von Betlehem ist hineingesteigert in die Nacht von Golgota. Da begann der Weg, den er für uns ging und auf dem er seine Fußstapfen in diese Welt legte, damit wir ihm nachfolgen. Sein ganzes Leben war ein Leben ganz für uns.

Aber das Kreuz geht nicht auf im Nachtdunkel, sondern steht lichtweiß davor, die Schwärze durchdringend. Das Todesholz wurde zum Lebensbaum, zum Lichtzeichen. Denn Jesus Christus hat am Kreuz seine Arme ausgebreitet, um uns alle an sich zu ziehen, aus dem Todesleben zum Ewigleben. Ein roter Kreis umgibt den Schnittpunkt der beiden Kreuzesbalken, rot steht für die grenzenlose Liebe Gottes, das Kreisrund bezeichnet Ewigdauer und Vollendung, Auferweckung und Liebe allezeit. Die Sonne des Lebens, das Leben hat endgültig gesiegt. Dem Tod ist der Stachel gezogen, das Schwarzdunkel hat seine Macht verloren. Ja, Jesus Christus ist das Licht der Welt, das alles in den Schatten stellt. Und er zieht uns hinein in den Lebenskreis und das Liebesrund der Vollendung.

Das Kreuz steht nicht frei, sondern eingesteckt in ein stilisiertes Schiff: die Kirche. Das Schiff Kirche liegt nur gut in den Wellen und Stürmen der Zeit, wenn das Kreuz sein fester Mast ist, an dem das Siegeszeichen des Auferstandenen aufgezogen ist. Kein Sturm, und mag er noch so stark dahergebraust kommen, kann das Schiff zum Kentern bringen. Der menschgewordene, gekreuzigte und auferstandene Jesus Christus ist das herausragende Kennzeichen der Kirche, Orientierungsgestalt für das christliche Leben. Er allein ist Weg, Wahrheit, Leben - Licht.

Wo erfahren wir diese auferweckte und auferweckende unbändige Lebenskraft Jesu Christi? Am dichtesten in der Feier der Eucharistie. So zeigen die Bildzeichen noch einmal eine andere Wirklichkeit: die Gestalten der Eucharistie, die Hostie des verwandelten Brotes und der Kelch mit dem verwandelten Wein, Leib und Blut Jesu Christi.

Brot und Wein - sie stehen unter dem Gesetz von Vergehen und Werden wie das Leben Jesu Christi. Sie bezeichnen Lebensnotwendiges und Lebenserfüllendes wie Jesus Christus für uns. Brot und Wein, das ist Jesus Christus mit Fleisch und Blut, und er ist mit Leib und Seele für uns. Wir werden eins mit ihm, er nimmt uns an sein Herz und schenkt uns Leben und Liebe auf Ewigdauer.

So ist Jesus Christus wirklich das Licht der Welt, das Licht der Völker, unser Licht. Der Untergrund des Bildes ist pechschwarz wie die Nacht des Lebens. Es gibt sie, die Dunkelheiten und Widersprüchlichkeiten, die Irrungen und Wirrungen, hoffnungslose, schlimme Zeiten, das Sterben und den Tod. Aber Nacht und Tod sind nicht alles. Da nämlich ist Jesus Christus aufgerichtet, lichtweiß das Kreuz, liebesrot die Sonne auferstandenes Leben, Licht der Welt, durchdrungen vom Blau des Himmels, der immerdauernden Treue Gottes zu uns. Das Schiff, die Kirche - und die sind wir - ist davon durchstrahlt, durchlebt, und so auch Licht der Welt. Lebt Christus in uns, sind wir Licht. Entzündet an ihm, verströmen wir die Wärme und Liebe des Evangeliums in dieser nachtdunklen Welt.

So - nur so - sind wir überzeugte Zeugen, die Menschen überzeugen, daß Jesus Christus Licht und Leben für die Menschen ist. Wir sind das fünfte Evangelium, und wir bekennen es in der Mitte der Eucharistie: “Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.” Amen. Ja, so sei es.

Klaus Haarlammert, Speyer