Das Angesicht Gottes
An zahlreichen Stellen im Alten Testament, besonders im Buch der Psalmen, begegnet uns der Begriff “Angesicht
Gottes”. Trotz des strengen Bilderverbotes hat es das Volk Israel trotzdem gewagt, von Gottes Angesicht zu sprechen,
unter diesem Begriff wurde geradezu die besondere Zuwendung Gottes seinem Volk gegenüber beschrieben. Da Gott
selbst aufgrund seiner erhabenen Größe und Herrlichkeit nicht darstellbar ist, diente der Terminus “Angesicht” als Ersatz
für die nicht beschreibbare wirkmächtige Gegenwart Gottes. Schon die Geschichte vom Jakobskampf Gen 32 offenbart
diese Vorstellung. Das erklärt auch die große Angst selbst der Propheten, das Angesicht Gottes zu schauen, denn dort begegnet der Mensch der ganzen Herrlichkeit und Macht Gottes.
Zeigt uns nicht Gott selbst in der eucharistischen Gegenwart unseres Herrn im Allerheiligsten Altarsakrament genau
dieses sein göttliches Angesicht? Haben sich nicht in der eucharistischen Gegenwart all die Aussagen über das Angesicht
Gottes im Alten Testament auf erhabene Weise erfüllt? Laden uns diese Aussagen nicht geradezu eindringlich ein, dem eucharistischen Herrn ins Angesicht zu schauen, ihn anzubeten und sich von ihm bestrahlen zu lassen?
Was sagt nun die Hl. Schrift über das Angesicht Gottes?
Das Leuchten des Angesichts
Oftmals begegnet die Bitte “Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten!” (Ps 4,7; 31,17; 44,4; 67,2; 80,4.8.20; 119,135 u.ö.).
Im aaronitischen Priestersegen kommt diese Vorstellung deutlich zum Ausdruck: “Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über
dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.“ (Num 6,22-25)
Mit dem Leuchten ist Segen und Heil verbunden, es ist eine zentrale Sehnsucht des biblischen Menschen unter dem göttlichen Antlitz leben zu dürfen. Es ist
Grund zur Freude (Ps 68,5), ja es herrscht sogar Freude in Fülle (Ps 16,11), Huld und Treue schreiten vor ihm her (Ps 89,15), die Gerechten gehen im Licht seines Angesichtes (Ps 89,16). Mit Lob und Jubel sollen die Gläubigen seinem Angesicht nahen (Ps 95,2; 100,2), sie sollen sein Angesicht suchen und sein
Angesicht schauen, dann wird sogar ihr Gesicht leuchten (Ps 34,6). Obwohl Mose auf dem Berg das Angesicht Gottes nicht anzuschauen gewagt hat,
leuchtete sein Angesicht als er herabstieg, so dass er es verhüllen musste (Ex 34).
Jede Wallfahrt zum Tempel in Jerusalem war ein Hintreten vor das Angesicht Gottes (vgl. Jes 1,12; Jer 7,10; Ps 42,3). Denn im Allerheiligsten im Tempel ließ
Gott sein Angesicht wohnen (vgl. Dtn 16,16; 31,11).
Das Verbergen des Angesichts
“Wie lange noch verbirgst du dein Angesicht vor mir?” (Ps 27,9; 30,8; 44,25; 69,18; 88,15; 102,3) klagt der Leidende in den Psalmen und sucht in dieser
Frage schon die Antwort, warum er Unglück und Not erfährt. Wenn Gott sein Gesicht verbirgt, dann kommen Unheil und Krieg über sein Volk und über den Einzelnen. Nur vor den Sünden soll Gott sein Gesicht verbergen (Ps 51,11) damit sie dem Beter nicht zum Schaden gereichen. Dem Armen verbirgt er sein Angesicht nicht. (Ps 22,25).
Der Beter stellt sich Gott vor wie er gleichsam weinend sein Gesicht verhüllt aus Trauer über die Untreue seines Volkes und so das Volk (oder der Einzelne)
sich selbst des segensreichen Leuchtens beraubt.
Die Macht seines Angesichts
Für die Frevler ist das Angesicht Gottes gefährlich, denn es richtet sich gegen die Bösen. (Ps 34,17). Deswegen fliehen alle, die Gott hassen vor seinem
Angesicht (Ps 68,2). Berge schmelzen wie Wachs vor dem göttlichen Antlitz (Ps 97,5)
Das Antlitz Jesu Christi
Die frühen Christen haben bald eine Verehrung des Antlitzes Jesu Christi entwickelt. Schon Paulus sehnt sich danach “erleuchtet zu werden zur Erkenntnis des
göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi” (2 Kor 4,6). Daraus hat sich im Laufe der Kirchengeschichte eine weite Verehrung des göttlichen Antlitzes
entwickelt, die durch die Verehrung der Hl. Veronika und ihres Schweißtuches stark beeinflusst wurde. Auch das Grabtuch von Turin mit seinem Abbild des
Angesichtes Jesu fördert heute mehr denn je die Liebe zum Antlitz Jesu. Die eucharistische Anbetung hat sich organisch in diese Verehrung des Heiligsten
Antlitzes eingefügt. Nirgendwo haben wir sein Angesicht realer und wirkmächtiger vor Augen als da. Die Entwicklung der eucharistischen Frömmigkeit war
vom Mittelalter an gerade beim einfachen Volk tief von der Sehnsucht nach dem Anschauen des göttlichen Antlitzes in den eucharistischen Gestalten geprägt.
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