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Fronleichnam 2006

Predigt von Papst Benedikt XVI. zum Hochfest Fronleichnam 15. Juni 2006:

Das zentrale Ereignis der Weltgeschichte

17. Juni 2006, 09:13

Rom (www.kath.net / zenit) Wir veröffentlichen die Predigt, die Papst Benedikt XVI. am Donnerstag während der Eucharistiefeier zum Hochfest des Leibes und Blutes Christi auf dem Vorplatz der Lateranbasilika gehalten hat:

Am Vorabend der Passion nahm der Herr während des Paschamahls – so haben wir gerade im Evangelium gehört – das Brot in seine Hände, sprach den Lobpreis, brach es, reichte es den Jüngern und sprach: „Nehmt, das ist mein Leib.“ Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn seinen Jüngern, und alle tranken daraus. Dabei sprach er: „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Mk 14,22.24).

Die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen wird in diesen Worten zusammengefasst. Nicht nur die Vergangenheit und deren Interpretation ist in ihnen enthalten, sondern auch die Zukunft Рdie Ankunft des Reiches Gottes in der Welt. Was Jesus sagt, sind nicht einfach nur Worte. Was er sagt, ist Ereignis: das zentrale Ereignis der Weltgeschichte und der Geschichte unseres perșnlichen Lebens.

Seine Worte sind unerschöpflich. Wir wollen in dieser Stunde versuchen, nur einen der vielen Aspekte zu erfassen: Jesus hat als Zeichen seiner Gegenwart Brot und Wein gewählt. In jedem der beiden Zeichen schenkt er sich ganz, nicht nur einen Teil von sich. Der Auferstandene ist nicht geteilt. Er ist eine Person, die sich uns in den Zeichen nähert und sich mit uns vereint.

Jedes dieser Zeichen aber repräsentiert auf seine Weise einen besonderen Aspekt seines Geheimnisses und will in der ihm typischen Erscheinungsweise zu uns sprechen, damit wir ein wenig mehr von dem Geheimnis Jesu Christi erfahren und verstehen. Während der Prozession und der Anbetung schauen wir auf die konsekrierte Hostie, die einfachste Form von Brot und Nahrung, die nur aus etwas Mehl und Wasser besteht.

So erscheint sie als Speise für die Armen, deren Nähe der Herr zuallererst sucht. Das Gebet, mit dem die Kirche dieses Brot während der Messliturgie dem Herrn darbringt, bezeichnet es als „Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“. In ihm ist die menschliche Mühe mit eingeschlossen, die tägliche Arbeit dessen, der die Erde bestellt, der aussät und erntet und schließlich das Brot bereitet.

Allerdings ist das Brot nicht nur unser eigenes Produkt, etwas von uns Gemachtes; es ist Frucht der Erde und somit auch Geschenk. Denn die Tatsache, dass die Erde Früchte trägt, ist nicht unser Verdienst: Allein der Schöpfer konnte ihr Fruchtbarkeit verleihen. Und jetzt können wir dieses Gebet der Kirche noch ein wenig ausweiten und sagen: Das Brot ist beides: Frucht der Erde und Frucht des Himmels. Es setzt die Mitwirkung der irdischen Kräfte und der Gaben von oben voraus, das heißt von Sonne und Regen.

Und auch das Wasser, dessen wir bedürfen, um das Brot zu bereiten, können wir nicht aus eigener Kraft herstellen. In einer Zeit, in der man von Verwüstung spricht und wir immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, dass in den Gegenden ohne Wasser Menschen und Tiere sterben müssen; in einer solchen Zeit werden wir uns erneut der Größe des Geschenks von Wasser und zugleich unseres Unvermögens bewusst, es uns selbst zu beschaffen.

Jetzt, wenn wir dieses kleine Stück weiße Hostie, dieses Brot der Armen, näher betrachten, erscheint es uns als Zusammenfassung der Schöpfung: Himmel und Erde verbinden sich mit der Tätigkeit des menschlichen Geistes. Die Synergie der Kräfte, die das Geheimnis des Lebens und der Existenz des Menschen auf unserem armen Planeten möglich macht, steht in ihrer ganzen wunderbaren Größe vor uns auf.

So beginnen wir zu verstehen, warum der Herr dieses Stück Brot als Zeichen für sich wählt. Die Schöpfung strebt mit all ihren Gaben danach, über sich selbst hinauszuweisen, hin auf etwas noch Größeres. Jenseits des Zusammenspiels der eigenen Kräfte, jenseits des Zusammenwirkens von Natur und Geist, das wir in gewisser Weise in ihr wahrnehmen können, ist die Schöpfung auf Vergöttlichung ausgerichtet, auf die heilige Hochzeit, auf die Vereinigung mit dem Schöpfer selbst.

Noch aber haben wir die Botschaft dieses Zeichens des Brotes nicht bis ins Letzte geklärt. Sein tieferes Geheimnis hat der Herr am Palmsonntag angedeutet, als ihm die Anfrage einiger Griechen vorgelegt wurde, ihn zu treffen. In der Antwort darauf findet sich der Satz: „Amen, amen ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24).

In dem aus gemahlenen Körnern hergestellten Brot verbirgt sich das Geheimnis der Passion. Das Mehl, das gemahlene Korn, setzt das Sterben und die Auferstehung des Weizenkorns voraus. Es wird gemahlen und gebacken, und so trägt es noch einmal das Geheimnis der Passion in sich. Nur durch das Sterben kommt die Auferstehung, kommen Fruchtbarkeit und neues Leben.

Die Kulturen im Mittelmeerraum besaßen in den Jahrhunderten vor Christus eine tiefe Vorahnung dieses Geheimnisses: Auf der Grundlage dieser Erfahrung vom Sterben und Auferstehen konzipierten sie Mythen über Gottheiten, die durch Tod und Auferstehung neues Leben verliehen. Der Zyklus der Natur erschien ihnen inmitten der Finsternis des uns auferlegten Leidens und Sterbens wie eine göttliche Verheißung.

In diesen Mythen streckte sich die Seele der Menschen in gewisser Weise nach jenem Gott aus , der Mensch geworden ist, der sich bis zum Tod am Kreuz erniedrigt und so für uns alle das Tor des Lebens geöffnet hat. Im Brot und seiner Entstehung haben die Menschen gleichsam die Erwartung, die Verheißung der Natur erfahren, dass das existieren müsse: jener Gott, der stirbt und uns auf diese Weise zum Leben führt.

Was in den Mythen erhofft worden war und was im Weizenkorn selbst als Zeichen der Hoffnung für die Schöpfung verborgen liegt, das ist in Christus wirklich geschehen. Durch sein freiwilliges Leiden und Sterben ist er für uns alle zum Brot geworden und somit lebendige und verlässliche Hoffnung: Er begleitet uns in all unseren Leiden bis zum Tod. Die Wege, die er mit uns zurücklegt und über die er uns zum Leben führt, sind Wege der Hoffung.

Wenn wir anbeten, schauen wir auf die konsekrierte Hostie, und dieses Zeichen der Schöpfung spricht zu uns. So begegnen wir der Größe seiner Gabe, aber auch der Passion, dem Kreuz und der Auferstehung Jesu. Durch dieses anbetende Schauen zieht er uns zu sich hin, hinein in sein Geheimnis, durch das er uns verwandeln will – und zwar so, wie er die Hostie verwandelt hat.

Die Urkirche sah im Brot noch einen anderen Symbolismus. Unter den Gebeten der um das Jahr 100 verfassten Lehre der zwölf Apostel, der Didache, findet sich folgende Aussage: „Wie dieses gebrochene Brot auf den Bergen zerstreut war, gesammelt und eins geworden ist, so soll deine Kirche von allen Enden der Erde zusammengeführt werden in deinem Reich“ (IX,4).

Das Brot, das aus vielen Körnern gemacht worden ist, trägt auch ein Ereignis der Einheit in sich: Das Brotwerden der gemahlenen Körner ist ein Prozess der Vereinigung. Wir selbst, die wir viele sind, sollen ein einziges Brot werden, ein einziger Leib, wie uns der heilige Paulus sagt (1 Kor 10,17). So wird das Zeichen des Brotes Hoffnung und Aufgabe in einem.

Auf ähnliche Weise spricht auch das Zeichen des Weines zu uns: Während das Brot jedoch auf die Alltäglichkeit, auf die Einfachheit und auf die Pilgerschaft verweist, bringt der Wein die Schönheit der Schöpfung zum Ausdruck; das Fest der Freude, die Gott uns bis zum Ende der Zeiten anbieten will und die er durch dieses Zeichen schon jetzt immer wieder neu andeutend vorwegnimmt. Natürlich spricht auch der Wein von der Passion: Der Rebstock muss wiederholt beschnitten werden, um gereinigt zu werden; die Trauben müssen unter Sonne und Regen heranreifen und schließlich gepresst werden. Nur durch diese Form des Leidens reift der kostbare Wein.

Am Festtag Fronleichnam schauen wir vor allem auf das Zeichen des Brotes. Es bringt uns auch die Pilgerschaft Israels während der vierzig Jahre in der Wüste zur Erinnerung. Die Hostie ist das Manna, mit dem der Herr uns speist: Sie ist wahrhaft das Brot des Himmels, durch das er sich selbst schenkt. In der Prozession folgen wir diesem Zeichen und so folgen wir ihm selbst.

Und wir bitten ihn: Führe uns auf den Straßen dieser unserer Geschichte! Zeige der Kirche und ihren Hirten immer wieder den rechten Weg! Schau auf die Menschheit, die leidet, die angesichts so vieler Fragen unsicher umherirrt; schau auf den physischen und psychischen Hunger, der sie quält.

Gib den Menschen Brot für Leib und Seele! Gib ihnen Arbeit! Gib ihnen Licht! Gib ihnen dich selbst! Reinige und heilige uns! Lass uns verstehen, dass unser Leben nur durch die Teilhabe an deiner Passion, durch das Ja zum Kreuz, zum Verzicht, zur Reinigung, die du uns aufträgst, reifen und seine wahre Erfüllung erlangen kann. Führe uns aus allen Enden der Erde zusammen. Eine deine Kirche, und eine die zerrissene Menschheit! Schenke uns dein Heil! Amen!

ZENIT-Ãœbersetzung des italienischen Originals; © Copyright 2006 – Libreria Editrice Vaticana