Er wollte schon aufgeben, bekehrte sich dann aber: Zeugnis eines Priester
Priester zu sein, ist nun einmal kein Halbtagsjob
Im Jahr 1977 wurde ich zum Priester geweiht. Damals war ich voller Begeisterung,
wusste aber letztlich nicht, worin meine Priesterberufung wirklich bestand. Drei Jahre später war der Honeymoon vorüber. Mehr und mehr befielen mich Zweifel, was meinen
priesterlichen Dienst anbelangte. Mein Engagement sank und sank, und ich hatte den Eindruck, einen Friedhof zu verwalten.
Meine Gemeinschaft glich einem schlafenden Riesen im Wachkoma. Für mich ein Grund
mehr, mich der Musik zu widmen - ich war nämlich ausgebildeter Musiker -, um nicht in Depression zu verfallen.
Ich teilte daher mein Leben in zwei: Einerseits mein Priesterdienst und andererseits
Konzerte mit einem Berufsorchester. Allerdings war dies ein Teufelskreis... Eines Tages sagte ein Mitbruder zu mir: „Jetzt bin ich 60. Also hab’ ich noch fünf Jahre, dann
verschwind’ ich! Ich gehe in Pension - habe mich genug eingesetzt.“ Als er uns dann verließ, fügte er noch hinzu: „Geh, lass es sein, das Werkel geht vor die Hunde, das Schiff ist am Sinken...“
Tatsächlich war es ich, der am Absaufen war, drauf und dran aufzugeben, hin- und hergerissen zwischen meinen beiden Meistern:
Gott und der Musik. Keine Frage, da war einer zu viel. Priester zu sein, ist eben kein Halbtagsjob.
Ich habe meinen Bischof aufgesucht und gesagt, dass ich aufgebe: Habe mich all meiner Verpflichtungen entledigt. Nun stand ich mit
einer großen Leere in meinem Leben da. Selbst die Musik konnte sie nicht füllen.
Im Juni 1993 wollte ich schließlich ganz aufgeben. Da hat mich ein Mitbruder eingeladen, nach Mailand, in die Pfarrei Sant’ Eustorgio
zu fahren. Dort findet jedes Jahr ein Kolloquium über Pfarrgruppen im Dienst der Evangelisation statt. Sie wurden von Don Pigi, dem dortigen Pfarrer, ins Leben gerufen.
Ich hatte nichts zu verlieren. Es war meine letzte Chance. Dort allerdings wurde mir die außergewöhnliche Gnade der Umkehr und
der Versöhnung zuteil: Viele Tränen flossen damals, Tränen, die ein Leben reinwuschen, viele Tränen, die Schleusen für den Heiligen Geist öffneten.
Ich habe dort eine lebendige Pfarrei erlebt, glückliche Priester und Laien, mitreißende liturgische Feiern voller Freude... Und mir
wurde klar, dass die Lebendigkeit einer Pfarrei eng verbunden war mit ihrer Begeisterung für die Evangelisation, und dass sie getragen war von der Anbetung.
Die Leute in meiner Pfarrei konnte es nicht fassen: Zutiefst deprimiert war ich fortgefahren, und wie aufgezogen kehrte ich heim. Ich
hatte wieder Geschmack am Gebet gefunden, Freude am Feiern der Eucharistie. Ich habe die Kirche wieder aufgesperrt - außerhalb der Messen war sie bis dahin immer verschlossen gewesen. Es war eine Revolution!
Wie oft war ich sonntags morgens vollkommen geschlaucht nach einer durchwachten Nacht angekommen, um in aller Eile rasch eine
Messe zu absolvieren, bevor ich mich schlafengelegt habe. Wie oft hatten die Pfarrmitglieder an der Kirchentür den Vermerk vorgefunden: „Heute keine Messe“, weil ich ein Konzert 300 Kilometer weiter hatte.
Nun aber führte ich jeden ersten Freitag des Monats einen Tag der Anbetung ein. Da nun der Herr wieder das Zentrum meines
Lebens geworden war, musste Er auch zum Herz der Pfarrei werden. Und zu meiner großen Überraschung kamen die Leute
massenweise! Das hat mich umso mehr berührt, als ich vorher gar nicht recht gewusst hatte, was Anbetung überhaupt sei!
Die Früchte haben nicht lange auf sich warten lassen: Inbrunst, Engagement, Dienstbereitschaft, brüderliche Gemeinschaft... Das hat
mich ermutigt, eine tägliche Anbetung von 7 Uhr früh bis 7 Uhr abends einzurichten.
Man hat uns damals für verrückt gehalten, das heißt genaugenommen, als gefährlich und rückständig angesehen. Ich habe den
Bischofsvikar sagen gehört: „Eine auf Anbetung gegründete Pastoral ist zum Scheitern verurteilt.“
Heute ist er selbst Pfarrer - und er hat Anbetungszeiten in seiner Pfarrei eingeführt. Viele Priester dieser Generation hatten Angst vor
einer individualistischen Frömmigkeit, die das Engagement hemmen würde. Papst Johannes Paul II. hat diesbezüglich zweifellos viele
vorgefasste Meinungen umgestürzt, hat er doch unverdrossen auf den Wert der eucharistischen Anbetung, die er ja selbst eifrig pflegte, hingewiesen. (...)
Anbeten - das bedeutet für mich „das Antlitz Christi zu betrachten“, wie es Johannes Paul II. so schön formuliert hat. Und sich von
ihm betrachten zu lassen. An der Brust des Herrn auszuruhen, wie Johannes beim Letzten Abendmahl: Man muss da nicht unbedingt viel reden, sondern sich anblicken, sich trösten lassen.
Ob es da eine Technik gibt? Nur das nicht! Man muss lernen, dazusein, mit Ihm. Man kann mit zehn Minuten anfangen und dabei
beten: „Komm in mein Leben, Herr. Ich öffne Dir die Tore meines Herzen, wie das Tor des Tabernakels offensteht.“ Dann kann
man eine Stelle aus dem Tagesevangelium lesen, um sich zur Meditation anregen zu lassen. Mit großer Wahrscheinlichkeit merkt man
dann gar nicht, wie rasch die Zeit dahin ist. Die Dauer der Anbetung wird sich verlängern...
P. Jean Philibert
Aus einein Interview in „Famille Chrétienne“ vom 28.5.05
P. Jean-Philibert ist Pfarrer von „Avignon-centre“ im Süden Frankreichs.
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