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Augsburg

Die Geschichte des Wunderbarlichen Gutes

Die Geschichte des Wunderbarlichen Gutes lässt sich von der heutigen Zeit bis zu ihrem Ursprung hinauf mühelos und ohne Unterbrechung zurückverfolgen anhand der vielen Zeugnisse in Büchern und Schriften. Tatsachenberichte und Urkunden bezeugen lückenlos Ursprung und Verehrung des Wunderbarlichen Gutes. Die Stadt- und Staatsbibliothek Augsburg hütet diese historischen Dokumente, da diese bei der Auflösung der Klosterbibliothek durch die Säkularisation im Jahre 1803 dorthin verschleppt wurden.

Aus den zahlreichen Dokumenten und Veröffentlichungen über das Wunderbarliche Gut bei Heilig Kreuz in Augsburg können wir kurz zusammenfassen: Eine Augsburger Frau hatte im Jahr 1194 gleich nach dem Empfang des Allerheiligsten Sakramentes die Hl. Hostie heimlich aus dem Munde genommen und in Wachs eingeschlossen. Fünf Jahre lang bewahrte sie diese Hostie zu Hause in einem Wandschränkchen auf und betete vor diesem stillen Heiligtum. Man darf nicht eine sakrilegische Handlung als Ursache für dieses Tun annehmen, als vielmehr eine tiefe Liebe und Verehrung zum Heiligsten Sakrament. Gab es doch zu dieser Zeit kaum einen Tabernakel.

Um diese Zeit lassen sich die ersten Sakramentshäuschen nachweisen, die fast immer seitlich an der Wand angebracht waren. Auch die sakramentale Verehrung und Anbetung ist wohl sporadisch nachzuweisen, aber in der katholischen Frömmigkeit in keiner Weise üblich. Diesen Durchbruch mit einer sehr ausgeprägten Akzentuierung der Anbetung bringt erst die Einführung des Fronleichnamsfestes im Jahre 1264. Man darf also sagen, dass diese Augsburger Frau in ihrer eucharistischen Frömmigkeit und Anbetung der liturgischen Entwicklung vorauseilte.

Gequält von Gewissensbissen beichtete sie am 11. Mai 1199 dem damaligen Stiftspropst von Heilig Kreuz Berthold ihre Tat. Freiwillig übergab sie ihm die in Wachs eingeschlossene Hostie. Propst Berthold öffnete das Wachs ein wenig am Rande und fand die Hl. Hostie auf wunderbare Weise verändert. Sie zeigte sich “in dünner, wunderbarer Weise verändert, fleischförmig und mit einem roten Faden ähnlicher Gestalt”. Probst Berthold löste das Wachs von beiden Seiten ab und fand den Leib des Herrn “gleichsam in zwei Teile gespalten, aber mit einigen Äderchen wie mit Banden zusammenhängend” Voll Erstaunen über das Geschaute, aber auch mit kritischer Zurückhaltung ging er mit sich zu Rate, “ob er die ganze Sache unterdrücken und in ewiges Schweigen einhüllen oder vor die Öffentlichkeit bringen sollte.”

Auf Rat seiner Kapitulare berichtete er gewissenhaft den Vorfall dem damaligen Augsburger Bischof Udalskalk. Er ordnete an, dass die in Wachs eingeschlossene Hostie “unter Begleitung der Geistlichkeit und des ganzen Volkes mit großer Ehrerbietung in die Domkirche zu übertragen sei” ‘ Dort geschah es dann, dass die zur Verehrung ausgesetzte Hostie unter der Wachshülle von Ostern bis zum Fest des heiligen Johannes des Täufers vorzüglich während der Messe vor den Augen aller so stark wuchs und anschwoll, dass sich das Wachs von selbst völlig ablöste” Beide Teile, die blutrote Hostie und das Wachs gesondert, schloss Bischof Udalskalk in ein Kristallgefäß und ließ “eines großen Wunders sicher” die Hl. Hostie in feierlicher Prozession nach Heilig Kreuz zurückbringen. Hier wird sie als das Wunderbarliche Gut seit acht Jahrhunderten verehrt.

“Zum Gedächtnis einer so außerordentlichen und denkwürdigen Tatsache” wurden in Heilig Kreuz ein besonderes Fest des Wunderbarlichen Gutes mit eigenem Messformular, Chorgesang und die Chorherren von Heilig Kreuz verpflichtenden eucharistischen Tagzeiten - jeweils für den 11. Mai jeden Jahres angeordnet. Heilig Kreuz wurde durch Dekret des Bischofs von Augsburg vom 15. Mai 1199 zur Pfarrkirche erhoben.

Das Wunderbarliche Gut wurde zunächst in einem Kristallgefäß aufbewahrt und zur Verehrung ausgesetzt. Um 1200 stiftete die Familie der Grafen von Rechberg einen in Silber getriebenen rechteckigen Schrein - den Urgrund unserer Wunderbarlichen Gut-Monstranz - in dem das Wunderbarliche Gut aufbewahrt wurde.

Es war kein Schau- sondern ein Aufbewahrungsgefäß. Als die eucharistische Anbetung immer mehr die christliche Frömmigkeit bestimmte und damit auch die sichtbare Gestalt der Hostie in der Monstranz die Anbetung bestimmte, schnitt man ohne Hemmungen an der Vorderseite des “Rechbergschreines” einfach eine Öffnung heraus, in die das Wunderbarliche Gut, Hostie und Wachskapsel eingefügt wurden.

Sie ist die Grundform und damit auch kunstgeschichtlich von Bedeutung vom Aufbewahrungsschrein zum Zeigegerät, also unserer Monstranzen...

Die Gegenwart Christi im Wunderbarlichen Gut blieb nicht immer unangefochten. Sie ist nach der dogmatischen Lehre der Kirche an Brot bzw. genießbares Brot gebunden. So fand zum ersten Male 1494 eine genaue Untersuchung des Wunderbarlichen Gutes durch Bischof Friedrich von Augsburg statt. Der Bischof stellte mit seinem Domkapitel fest, dass nach fast 300 Jahren nicht Staub, noch Farbe, sondern eine sehr dicke, fleisch- und blutähnliche Gestalt vorhanden sei. Damit bestand auch kein Hindernis, die übliche Anbetung des Wunderbarlichen Gutes zu gestatten.

Die Zeiten wurden rauher. Die Reformation brachte das religiöse Leben und damit auch die Frömmigkeit und Verehrung des Allerheiligsten Sakramentes in Bedrängnis. Augsburg nahm als freie Reichsstadt die Reformation an. 1537 musste das Wunderbarliche Gut infolge des “Neuerungs- und Empörergeistes der Reformatoren aus Augsburg geflüchtet werden” Der Augsburger Bischof Christoph von Stadion wanderte mit seinem Klerus im Januar 1537 nach Dillingen aus. Der damalige Propst von Heilig Kreuz, Christophorus Gail begab sich mit dem Wunderbarlichen Gut und seinem Konvent zunächst in die katholisch gebliebene Stadt Landsberg am Lech. Heilig Kreuz hatte dort Besitz. Von dort begab er sich mit seinen Chorherren und dem Wunderbarlichen Gut 1538 nach Dillingen, wo es in der Stadtpfarrkirche St. Peter zur Verehrung ausgesetzt wurde. 11 Jahre dauerte die Verbannung. Erst im August 1548 durfte auf Befehl Kaiser Karl V. der vertriebene Klerus wieder in die Reichsstadt zurück. Propst Bernhard Werlin nahm wieder Besitz von Kirche und Kloster Heilig Kreuz. Unter dem Jubel der katholisch gebliebenen Bevölkerung wurde das Wunderbarliche Gut wieder zur Anbetung ausgesetzt. Doch nicht zu lange dauerte der Friede. Am 20. April 1632 fiel Augsburg in die Hände der Schweden. Am 7. April war Propst Johannes Schall bereits mit dem Wunderbarlichen Gut in das Augustiner Chorherrenkloster Herrenchiemsee (das heutige Schloss Herrenchiemsee) geflüchtet. Dort blieb es drei Jahre. Über Wasserburg, Rosenheim und München kehrte das Wunderbarliche Gut unter dem Ehrengeleit der Münchner Bürger nach Heilig Kreuz zurück. Eine erneute Untersuchung des Wunderbarlichen Gutes fand am 3. Juli 1747 unter Bischof Josef, Landgraf von Hessen-Darmstadt statt. Der damalige Klosterchronist Pater Ignatius Kistler OSA schließt seinen Bericht über diese Untersuchung mit den Worten: “Es blieb das Wunderbarliche Gut in seinem Besitzstande, und die Verehrung und Anbetung ist dadurch mehr gehoben als vermindert worden.”

Die Auswirkungen der Französischen Revolution und die Napoleonische Zeit brachten erneut Kloster und das Wunderbarliche Gut in Bedrängnis. Am 28. Mai 1800 rückten die Franzosen in Augsburg ein. Sie räumten aber die Stadt wieder, nachdem die auferlegten Kriegskontributionen bezahlt waren. Das Chorherrenstift Heilig Kreuz musste 15.000 Gulden beisteuern. Um sicher zu sein flüchtete man das Wunderbarliche Gut zuerst zum Klostergut Bachern, dann in das Karmelitenkloster nach München. Als die Franzosen auch dort einzogen, nach St. Zeno bei Reichenhall und schließlich bis nach Saalfelden im Pinzgau. Doch schon nach drei Wochen brachte man es nach Reichenhall zurück. Am 3. März 1801 ist das Wunderbarliche Gut wieder in Heilig Kreuz.

Kaum zwei Jahre später, am 25. Februar 1803 mussten die durch sechs Jahrhunderte getreuen Wächter des Wunderbarlichen Gutes, die Chorherren von Heilig Kreuz, laut Reichsdeputationshauptschluss Kirche und Kloster verlassen. Kirche und Kloster wurden zu Gunsten der Stadt Augsburg enteignet. Nachdem Priester aus dem Weltklerus die Seelsorge an Heilig Kreuz übernommen hatten, wurde im Jahre 1932 Heilig Kreuz den Söhnen des heiligen Dominikus übergeben. Im Geiste ihrer Brüder aus dem Chorherren-Orden des heiligen Augustinus, zu deren Ordensfamilie sie gehören, führten sie die reiche Tradition der Verehrung des Wunderbarlichen Gutes weiter. Heilig Kreuz erfreute sich wieder eines stets wachsenden Kirchenbesuches, bis in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 die herrliche Kirche dem furchtbaren Bombenangriff zum Opfer fiel. Der damalige Provinzial der süddeutschen Dominikaner P. Marianus Vetter, der gerade in Augsburg weilte, brachte das Wunderbarliche Gut (nicht die Monstranz) zwischen dem 1. und 2. Angriff in seiner Aktentasche in den Turm der Kirche. Nach dem 2. Angriff kam das Wunderbarliche Gut in die Hauskapelle des erhaltenen bescheidenen Klosters in der Ottmarsgasse. Um es jedoch vor weiteren Angriffen zu sichern wurde das Wunderbarliche Gut nach Stotzard bei Affing gebracht. Wegen besserer Verbindung vertraute man dann das Wunderbarliche Gut den Ehrwürdigen Schwestern der St. Josefs-Kongregation von Ursberg im Kloster Holzen bei Donauwörth an, die sich heute noch mit großer Freude an diese Tage gnadenvollen Trostes in schwerster Zeit erinnern. Am 8. Mai 1945 konnte das Wunderbarliche Gut wieder in die Hauskapelle des Dominikanerklosters in der Ottmarsgasse zurückgeholt werden. Im Advent 1945 war die frühere Beichtkapelle von Heilig Kreuz soweit hergestellt, dass man das Wunderbarliche Gut in dem beim Brand erhaltenen barocken Tresor -Tabernakel wieder zur Verehrung aussetzen konnte. Nach den beiden Teilabschnitten des Wiederaufbaues von Heilig Kreuz befindet sich das Wunderbarliche Gut wieder im Tabernakel von Heilig Kreuz.

entnommen aus: Börger, Raphael OP, Das Wunderbarliche Gut zu Heilig Kreuz Augsburg, 800-jähriges Jubiläum, 1199-1999, Augsburg 1999