Der Diener Gottes Philibert Vrau
(+16. Mai 1905)
Unter den noch nicht kanonisierten heiligmäßigen Menschen, die ganz eucharistisch geprägt
und geformt waren, gehört auch der Organisator des 1. Internationalen Eucharistischen Kongresses genannt: der Diener Gottes Philibert Vrau, ein wahrhaft vorbildlicher
katholischer Laie, der allen Mitgliedern der Katholischen Männerbewegung unserer Zeit bekannt sein sollte.
Er wurde am 19. November 1829 in Lille (Frankreich) geboren als Sohn einer
Industriellenfamilie, die durch die fabrikmäßige Erzeugung der Chinaseide ("fil au chinois") reich geworden war. Philibert genoss eine solide christliche Erziehung, hörte aber mit 1819
Jahren jedes religiöse Praktizieren auf. In einem vier Jahre dauernden religiösen Leerlauf suchte seine unruhige Seele im
Spiritismus (Magnetismus) eine Antwort zu finden auf die metaphysischen Fragen. Plötzlich fand er wieder zum Glauben
zurück in einer gnadenhaften Bekehrung, die am 7. Juni 1854 den 25jährigen jungen Mann traf. Von da an erfüllte in ganz
auffallender Weise tiefe, eucharistische Frömmigkeit sein ganzes Leben und Wirken. Er schöpfte fortan aus der täglichen
Mitfeier der heiligen Messe Kraft zu staunenswerten apostolischen Werken, die vom eucharistischen Glaubensgeheimnis ausgingen und zu diesem wieder hinführen sollten.
Im Jahre 1855 führte Philibert Vrau in seiner Heimatstadt Lille die nächtliche Anbetung des Allerheiligsten ein. Im Jahre
1881 organisierte er den Ersten Internationalen Eucharistischen Kongress in Lille, an dem damals 300 Menschen teilnahmen, ein relativ bescheidener Anfang für jenes Werk, das eine triumphale Steigerung erleben sollte.
Die Idee zu den Internationalen Eucharistischen Kongressen war in dem ebenfalls von Kindheit an eucharistisch geformten
Fräulein Emilie Tamisier (geboren 1843 in Tours) wach geworden, die als sechsjähriges Mädchen bereits an der Hand
ihrer frommen Mutter die 1849 in Tours eingeführte nächtliche Anbetung des Allerheiligsten mitgemacht hatte und vom
Geheimnis des Glaubens in der Heiligen Eucharistie immer mehr ergriffen worden war, besonders als sie mit 20 Jahren
den heiligen Peter Julian Eymard zum Seelenführer bekommen hatte. Sie begann mit seeleneifrigen Priestern und
Bischöfen Wallfahrten zu eucharistischen Gnadenstätten Frankreichs zu organisieren, so nach Avignon, nach Faverney und
nach Douai. Bischof Marmillod meinte, diese eucharistischen Bewegungen müssten in Internationale Eucharistische
Kongresse einmünden. Aber niemand war da, der das Organisieren solcher Kongresse in die Hand genommen hätte, bis
Frl. Tamisier mit Philibert Vrau Kontakt bekam, den sie für die Idee Eucharistischer Kongresse begeisterte, auf denen in
Beratungen und Vorträgen alle Fragen für ein tieferes Verständnis der Heiligen Eucharistie und ihrer Verehrung behandelt
werden sollten, damit sich dann dieses Glaubensgeheimnis auch im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben der
Christen auswirken könne. So kam es also zum Ersten Internationalen Eucharistischen Kongress in Lille im Jahre 1881. Er war das Werk von Philibert Vrau.
Unter den großartigen weiteren Leistungen Vraus, die aus seiner eucharistischen Frömmigkeit
erwuchsen, gehört dann vor allem die Erbauung einer Reihe von Kirchen in Lille genannt. Diese Stadt war nach 1858 durch Eingemeindung von vier Vororten stark angewachsen und hatte am
Stadtrand keine Kirchen. Da war Philibert Vrau zusammen mit seinem Schwager Camille Feron darauf aus, dem eucharistischen Heiland Wohnstätten zu errichten. In wenigen Jahren wurden
dank des Impulses und der großmütigen Freigebigkeit dieser beiden großen Verehrer der Heiligen Eucharistie in Lille sechs Kirchen erbaut und auch der Bau der Kathedrale
NotreDamedelaTreille mutig in Angriff genommen, so dass deren Krypta 1868 und die herrliche ApsisKapelle 1897 eröffnet werden konnten.
Auch auf dem Gebiet des katholischen Schulwesens entfaltete Philibert Vrau damals in Lille
eine staunenswerte Aktivität, immer unter der Motivierung, viele junge Menschen zum eucharistischen Geheimnis durch soliden Religionsunterricht und ganzheitliche katholische Erziehung hinzuführen. Die
Krönung aller Anstrengungen Vraus auf dem Gebiet des katholischen Schulwesens war damals die Errichtung der
Katholischen Universität in Lille, des "Institut Catholique". In der Zeit von 1874 bis 1879 konnten die
Rechtswissenschaftliche, die Medizinische, die Geisteswissenschaftliche und die Theologische Fakultät errichtet werden.
Dazu kamen noch Institute, Kliniken und Spitäler, für deren Errichtung Philibert Vrau und sein Schwager Camille Feron so viel, wie nur überhaupt denkbar war, beisteuerten.
Gegenüber dem anwachsenden Antiklerikalismus und Sozialismus setzten sich die beiden mutigen, selbstlosen Männer mit
aller Kraft auch für die kirchliche Soziallehre und für eine Katholische Arbeiterbewegung ein; sie spürten den sozialen
Auftrag, der den Katholiken gerade aus dem Eucharistischen Geheimnis und aus der häufigen Kommunion erwächst, wenn
Arbeitgeber und Arbeitnehmer an der gleichen Kommunionbank knien und den gleichen Herrn Jesus Christus in sich
aufnehmen, dessen Programm auf sozialem Gebiet die Seligpreisungen der Bergpredigt waren. Auch auf dem Gebiet der
Katholischen Presse und der Vinzenzkonferenzen waren die beiden Diener Gottes Vrau und Feron führend tätig, getrieben
vom Wissen, dass sich das eucharistische Geheimnis auf das ganze religiössittliche Leben der einzelnen Menschen und auf das Zusammenleben umgestaltend auswirken muss.
Philibert Vrau vollendete sein großartig erfolgreiches apostolisches, aus der Heiligen Eucharistie geformtes Leben in
einem heiligen Sterben am 16. Mai 1905. Drei Jahre später (1908) folgte ihm in den ewigen Lohn sein Schwager Camille
Feron. Die Herzen der beiden Diener Gottes wurden, wie es Philibert Vrau gewünscht hatte, in der Kapelle der
Katholischen Universität von Lille beigesetzt hinter einer Tafel, die die programmatische Aufschrift trägt: "Adveniat regnum Tuum!"
Im Jahre 1930 wurde der Seligsprechungsprozess für die beiden eucharistisch geprägten Diener Gottes eröffnet Mit Recht
hat man über Philibert Vrau, sein Leben und Wirken zusammenfassend geschrieben: "In tiefem Glaubensgeist und sozialer
Gesinnung förderte er großzügig die Errichtung von Kirchen, katholischen Volks und Gewerbeschulen, die Vinzenzkonferenzen und viele kirchliche und caritative Einrichtungen. Er gab den Anstoß zu den Eucharistischen
Kongressen. Grosse Opfer brachte er für das 1875 gegründete Institut catholique in Lille; alles in enger Zusammenarbeit mit seinem Schwager Camille Feron und aus Liebe zu Christus in der Heiligen Eucharistie.
(entnommen aus: Holböck, Ferdinand, Das Allerheiligste und die Heiligen, S. 379-381)
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