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Thomas und die Eucharistie

Der heilige Thomas von Aquin

(+ 7. März 1274)

Einer, der mit ganz besonderem Recht ein eucharistischer Heiliger genannt und darum  außer mit der Sonne der Weisheit auf der Brust auch gerne mit der die Heilige Eucharistie enthaltenden Monstranz dargestellt wird, ist Thomas von Aquin, der wohl größte Theologe des Mittelalters.

Es sei dahingestellt, was von dem Bericht zu halten ist, in welchem aus der akademischen Lehrtätigkeit des jungen Magisters Thomas in Paris folgendes erzählt wird: Es entstand damals unter den Theologen ein Disput über die Gestalten der Heiligen Eucharistie. Sie kamen schließlich überein, die Entscheidung dem jungen Magister Thomas zu überlassen, dessen Scharfsinn in der Lösung schwierigster Fragen nicht unbekannt war. Nachdem die Schrift, in welcher jeder Gelehrte seine Ansicht niedergelegt hatte, ihm übergeben worden war, sammelte sich Thomas, betete, betrachtete und schrieb dann ebenso bestimmt wie geistreich das nieder, was der Geist Gottes ihm eingab. Er wollte aber die Frucht seiner Arbeit und seines Gebetes den Gottesgelehrten nicht vorlegen, ohne zuvor den um Rat gefragt zu haben, von dem er hatte schreiben sollen. So eilte er in die Kirche und legte das, was er geschrieben hatte, vor dem Tabernakel nieder und betete: "Herr Jesus Christus, der Du in diesem wunderbaren Sakrament wahrhaft gegenwärtig bist und dessen Werke unbegreifliche Wunder sind, ich beschwöre Dich demütig, mache mir kund, ob das, was ich über Dich geschrieben habe, mit der Wahrheit übereinstimmt! Verleihe mir die Gabe, es meine Brüder zu lehren und sie davon zu überzeugen! Ist aber im Gegenteil in dieser Schrift etwas dem katholischen Glauben entgegen, so nimm mir die Möglichkeit, es ihnen vorzutragen!"  Dem heiligen Thomas waren mehrere Ordensmitbrüder in die Kirche gefolgt. Diese sahen nun, wie Jesus erschien und, auf die von Thomas verfasste Schrift hinweisend, zu ihm sagte: Mein Sohn, du hast würdig über das Sakrament meiner Liebe geschrieben!' Während der heilige Thomas sein Gebet noch verlängerte, sah man, wie er in die Luft gehoben wurde. Aus seiner Verzückung erwacht, kehrte er dann still in seine Zelle zurück. Die Theologen aber unterwarfen sich nun ohne Vorbehalt seiner Entscheidung. Geht es dabei nur um eine Verwechslung und legendäre Ausschmückung dessen, was Wilhelm von Tocco, der erste Biograph des heiligen Thomas von Aquin, im 34. Kapitel seines "Lebens des heiligen Thomas von Aquin" berichtet? Dort heißt es nämlich, der heilige Thomas habe im Konvent von Neapel wieder einmal in der dem heiligen Nikolaus geweihten Kapelle im Gebet geweilt und sei dabei vom Küster, dem Bruder Dominikus von Caserta, beobachtet worden: “Da sah er ihn gleichsam zwei Ellen hoch in der Luft schweben. Als er sich darüber lange wunderte, hörte er plötzlich von dem Ort, dem sich Magister Thomas im Gebet mit Tränen zugewandt hatte, folgende Worte von dem Bild des Gekreuzigten: Thomas, du hast gut über Mich geschrieben. Welchen Lohn möchtest du für deine Mühen empfangen?' Thomas antwortete: Herr, nichts als Dich!' Dann schrieb er den dritten Teil seiner Summa ...

Auf jeden Fall schreibt der gleiche Wilhelm von Tocco im 28. Kapitel seines Lebens des heiligen Thomas v. A. ausdrücklich: "Hauptsächlich verehrte Thomas das allerheiligste Sakrament des Altares. Weil ihm vergönnt war, tiefsinniger (als andere) darüber zu schreiben, so wurde ihm gewährt, es auch frömmer zu feiern. Täglich las er nämlich eine Messe, wenn ihn nicht Krankheit daran hinderte, und als zweite hörte er die seines Gefährten oder eines anderen, wobei er sehr häufig ministrierte." Fast alle Zeugen, die im Heiligsprechungsprozess über Thomas v. A. aussagten, erwähnten u. a. dies, dass er jeden Tag mit größter Andacht vor allem anderen die heilige Messe feierte und dann noch eine weitere oder zwei gehört habe.

Daraus allein schon ersieht man, dass dem heiligen Thomas die Eucharistiefeier ganz besonders viel bedeutet haben muss.

Wilhelm von Tocco aber weiß noch weiter zu berichten: "Thomas pflegte auch öfters in der Messe von einem so starken Gefühl der Hingabe ergriffen zu werden, dass er ganz in Tränen zerfloss, weil er von den heiligen Geheimnissen eines so großen Sakramentes verzehrt und aus den Gaben dieses Sakramentes erquickt wurde. Als er daher einmal im Kloster von Neapel am Passionssonntag in Anwesenheit vieler Ritter die Messe fromm feierte, sah man ihn während des Ablaufs des bereits begonnenen heiligen Mysteriums so von der Tiefe des Sakramentes ergriffen, dass er gleichsam den göttlichen Geheimnissen beizuwohnen schien und, wie man glauben darf, von den Leiden des Gottmenschen Jesus Christus bewegt war. Das schien die lange Geistesabwesenheit und die überquellende Tränenflut anzuzeigen. Als er länger so verharrte, kamen die bestürzten Brüder herbei und berührten ihn, damit er die heiligen Geheimnisse fortsetze, sie rüttelten ihn aus der Tiefe, in der die Entrückung ihn anscheinend an den heiligen Geheimnissen hatte teilnehmen lassen, auf. Nach der Feier des heiligen Mysteriums baten ihn einige Brüder und ihm vertraute Ritter, er möge ihnen doch sagen, was ihm in jener Entrückung zugestoßen sei, er möge ihnen das offenbaren, von dem er glaube, dass es ihnen zur Erbauung diene. Er aber weigerte sich, es zu sagen, und verbarg das ihm Geoffenbarte, damit er es nicht vergeude."

Dort, wo Wilhelm von Tocco in seinem "Leben des heiligen Thomas von Aquin" im 17. Kapitel auf die Werke des Heiligen zu sprechen kommt, erwähnt er u. a. auch: "Thomas schrieb auf Befehl des Papstes Urban IV. die liturgischen Texte der Festmesse und der Tagzeiten des Fronleichnamsfestes, in welchen er alle alttestamentlichen Vorbilder dieses Sakramentes darstellte und die Wahrheiten, die aus der Gnade des Neuen Bundes stammen, zusammentrug."

Zu diesen liturgischen Texten des Fronleichnamsfestes gehören vor allem auch die Sakramentshymnen, die der heilige Thomas v. A. gedichtet hat. Darüber hat einer der besten Thomas-Kenner, Prof. Martin Grabmann (+ 1949), bereits als junger Anima-Kaplan eine heute noch lesenswerte Abhandlung "Die Theologie der eucharistischen Hymnen des heiligen Thomas von Aquin" geschrieben. Aus ihr sei das Wichtigste hierher gesetzt:

Was der Aquinate über die Heilige Eucharistie wissenschaftlich dargelegt hat, das hat er in seinen fünf Hymnen auf das heiligste Sakrament in Poesie ausgesprochen. Es geht hier um eine Dichtung, die ausgezeichnet ist durch Tiefe des Inhalts und Schönheit der Form, durch Höhe der Spekulation und Tiefe der Empfindung. Hier tritt uns Thomas als Scholastiker und Mystiker, als "Theologus mentis et cordis" entgegen, hier erfüllt er sein eigenes Mahnwort: "Quantum potes, tantum aude,/ Quia maior omni laude/ Nec laudare sufficit./ Sit laus plena, sit sonora,/ Sit jucunda, sit decora/ Mentis jubilatio." (Was du kannst, das sollst du wagen; Ihm gebührend Lob zu sagen man vergebens sich vermisst. Lob erschalle, Lob ertöne, Gott genehm, voll hoher Schöne, sei des Herzens Jubellaut!) Drei der Sakramentshymnen hat der heilige Thomas in das Officium des Fronleichnamsfestes eingeflochten: 1. den Hymnus "Sacris solemniis" zur Matutin, 2. den Hymnus"Verbum supernum prodiens" zu den Laudes, 3. den durch die Schlussstrophen "Tantum ergo" und" Genitori genitoque" besonders bekannt gewordenen Hymnus "Pange lingua" zur Vesper. Dazu kommt 4. die gedankentiefe Sequenz "Lauda Sion Salvatorem" für die Fronleichnamsmesse und 5. der innige Dankgesang nach der heiligen Kommunion "Adoro Te devote". Der Beweis für die Echtheit dieser vom heiligen Thomas stammenden Dichtungen ist durch die Forschungen von De Rubeis, Alexander Natalis u. a. längst erbracht. Es stützt sich dieser Beweis auf unanfechtbare Zeugnisse von Wilhelm von Tocco, Tholomäus de Luca, Johannes von Columna, Antonin von Florenz sowie auf die ältesten Kataloge der Werke des heiligen Thomas (Stamser Katalog, Pignon u. a.).

Als Muster für das "Lauda Sion Salvatorem" scheint in metrischer Hinsicht der berühmte Kreuzeshymnus des Adam von St. Viktor (+ 1192) dem heiligen Thomas v. A. vorgeschwebt zu haben. Das "Lauda Sion Salvatorem", welches V. Thalhofer in seiner Liturgik "das Credo vom heiligsten Altarssakrament" genannt hat, wurde bereits Ende des 14. Jahrhunderts ins Deutsche übertragen.

In ästhetischer Hinsicht eignet diesen eucharistischen Hymnen hohe poetische Schönheit. Der Ausdruck ist präzis und einfach, das Latein kurz, klar und voll Wohlklang, die schwierigsten Wahrheiten treten uns hier in erhabenem lyrischem Schwung entgegen, so dass der Lyriker J. B. de Santeuil sich bereit erklärt hat, für die einzige Strophe: "Se nascens dedit socium" (im Hymnus "Verbum supernum prodiens") all seine Gedichte herzugeben.

Der bekannte Dominikaner-Gelehrte P. Albert M. Weiss hat in seiner "Apologie des Christentums" die Eigenart der Poesie des heiligen Thomas so charakterisiert: "Hier ist ein Inhalt, der an Schwierigkeit und Tiefe seinesgleichen nicht hat, und dabei eine Darstellung, die nicht durchsichtiger sein könnte, nüchtern und doch warm, ja glühend, eine Ruhe atmend, welche an die Heiligen von Fra Angelico gemahnt, und dazu eine Sprache, so natürlich, dass jeder glaubt, es müsse so sein, und so einfach, dass alle meinen, sie könnten es auch so machen."

Der sprechendste Beweis aber für den Wert dieser eucharistischen Hymnen ist die Tatsache, dass die katholische Kirche seit Jahrhunderten durch diese erhabenen Dichtungen in ihrer Liturgie den eucharistischen Heiland, ihren unsichtbar gegenwärtigen Lebensgrund, feiert. Der Grund dafür liegt darin, dass in diesen Hymnen die kirchliche Lehre vom heiligsten Sakrament in vollendeter Weise ausgesprochen ist . "Der Sänger dieser Hymnen", bemerkt O. Willmann in seiner "Geschichte des Idealisrnus", "ist derselbe heilige Thomas, dessen Sinnen, Forschen und Schauen von dem Gedanken bewegt wurde, die Sinnenwelt durchsichtig zu machen auf ihr gedankliches Innere hin, und dieses wieder nach der darin waltenden Gotteskraft zu erkennen." Der eucharistische Gottmensch ist das Thema der Hochgesänge des heiligen Thomas. Die Theologie dieser Hymnen kommt wohl am ehesten in der Weise zur Darstellung, dass man zeigt, wie der engelgleiche Lehrer hier einerseits das Verhältnis des Menschengeistes zu diesem hehren Geheimnis, anderseits den Inhalt des katholischen Glaubensbewusstseins darüber beleuchtet und erklärt hat:

Die geistigen Grundkräfte des Menschen sind Verstand und Wille. Was das Verhältnis der Denkkraft zum eucharistischen Mysterium betrifft, so betont der heilige Thomas  wie in seiner Summa Theologiae so auch hier in seinen Hymnen  die Notwendigkeit und Gewissheit des übernatürlichen Glaubens. Der menschliche Verstand gewinnt seine Ideen durch Abstraktion aus der Sinnenwelt, er denkt das rein Geistige nur durch analoge Begriffe. Er kann von den einem Mysterium zugrunde liegenden Momenten sich keine distinkten Begriffe bilden; er ist nicht imstande, die Denkbarkeit des Geheimnisses positiv zu demonstrieren. Wohl aber kann er unter Voraussetzung der übernatürlichen Offenbarung  in negativer Weise dartun, dass kein unlösbarer Widerspruch zwischen Dogma und Natur besteht. Das Erkenntnisprinzip ist hier der Glaube. Nicht das Zeugnis der Sinne, nicht die Schärfe natürlicher Denkkraft verbürgt uns die Wirklichkeit und Wirksamkeit des eucharistischen Geheimnisses. Die unbedingte Hingabe an die ewige Wahrheit selbst, an das Zeugnis des personalen ewigen Wortes Gottes bringt unserem Geist Licht über dieses Mysterium der Heiligen Eucharistie. Diese Grundgesetze und Grundsätze der theologischen Erkenntnislehre liegen den folgenden Versen des "Adoro Te devote" zugrunde: "Visus, tactus, gustus in Te fallitur,/ Sed auditu solo tuto creditur./ Credo quidquid dixit Dei Filius,/ Nil hoc verbo veritatis verius!" (Gesicht, Gefühl, Geschmack betrügen sich in dir,/ doch das Gehör verleiht den sichern Glauben mir./ Was Gottes Sohn gesagt, das glaub' ich hier allein,/ es ist der Wahrheit Wort, und nichts kann wahrer sein!)

Der Verstand gibt dem Willen die Richtung. Die überragende Stellung der Heiligen Eucharistie gegenüber der Kontemplation des Menschengeistes verursacht eine rückhaltlose, tiefsinnige Unterwerfung und tief anbetende Hingabe unseres Willens an den unter der Brotsgestalt gegenwärtigen Gottmenschen. Daher: "Adoro Te devote, latens Deitas,/

Quae sub bis figuris vere latitas:/ Tibi se cor meum totum subjicit,/ Quia Te contemplans, totum deficit." (In Demut bet' ich Dich, verborgne Gottheit, an,/ die Du den Schleier hier des Brotes umgetan./ Mein Herz, das ganz in Dich anschauend sich versenkt,/ sei ganz Dir untertan, sei ganz Dir hingeschenkt!)

In dieser glaubensinnigen Weise legt nun der heilige Thomas in seinen Hymnen den Inhalt der katholischen Lehre von der realen Gegenwart Jesu Christi im heiligsten Sakrament, von der heiligen Kommunion und vom Messopfer dar.

Sehr ausführlich wird die Wirklichkeit und die Art und Weise der realen Gegenwart Christi in der Heiligen Eucharistie erörtert. Da der eucharistische Christus der Sohn Gottes ist und aus Liebe zu uns der menschgewordene Erlöser der Welt geworden ist, steht die Heilige Eucharistie in innigem Zusammenhang mit den großen Dogmen der Dreifaltigkeit und der Menschwerdung Gottes. Die Lehre von der Dreifaltigkeit (Trinität) zeigt uns den Sohn Gottes (den Logos, das personale ewige Wort Gottes) im Schosse des himmlischen Vaters, die Lehre von der Menschwerdung (Inkarnation) zeigt uns denselben im Schosse der Jungfrau Maria, das Geheimnis der Eucharistie aber zeigt uns den Erlöser im Schosse der jungfräulichen Mutter Kirche. Das ewige Wort ("Verbum supernum prodiens nec Patris linguens dexteram") nimmt in der Inkarnation menschliche Gestalt und Gegenwart an, dasselbe personale, fleischgewordene Wort Gottes wird durch die Eucharistie als Realgrund allen Lebens in der Kirche für und für gegenwärtig. Die Heilige Eucharistie ist gewissermaßen die Konsequenz, die Ausdehnung der Inkarnation, sie verewigt die Erlösungsfrucht Christi. Die Stufen der unermesslichen Liebe Christi in der Menschwerdung, Erlösung, Eucharistie und himmlischen Beseligung sind mit wunderbarer Kürze und Kraft ausgesprochen in den Versen: "Se nascens dedit socium,/ Convescens in edulium,/ Se moriens in pretium,/ Se regnans dat in praemium" (In der Geburt ward Er uns Bruder,/ Im Mahle die Speise,/ Sterbend der Lösepreis/ Und herrschend unser Lohn).

Da diese eucharistischen Dichtungen zur Verherrlichung des Fronleichnamsfestes bestimmt und verfasst worden sind, so wird vor allem im Hymnus "Sacris solemniis" und in "Lauda Sion Salvatorem" der Einsetzung der Heiligen Eucharistie beim Letzten Abendmahl besonders ausführlich gedacht.

Zeitlich lässt sich die Einsetzungsszene nach den Kategorien der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betrachten. An sich, das heißt als Gegenwart betrachtet, fällt der Einsetzungsakt auf den Vorabend des Erlösertodes. Dieser Heilige Abend bildet gleichsam das Testament, den wunderbaren Abschluss der irdischen, leidensfähigen Gegenwart Jesu Christi: "Ad opus suum exiens,/ Venit ad vitae vesperam./ In mortem a discipulo/ Suis tradendus aemulis,/ Prius in vitae ferculo: Se tradidit discipulis" (Ausgegangen war Er zu Seinem Werk/ Und kam nun zum Abend des Lebens./ Da Er von Seinem Jünger an die Neider/ Dahingegeben werden sollte in den Tod,/ Gab Er zur Speise des Lebens/ Sich noch Seinen Jüngern zuvor).

Zur Vergangenheit verhält sich die weihevolle Abendstunde des Letzten Abendmahls als Antitypus zum Typus, als "veritas (Wahrheit )" zur "umbra (Schatten)". Alle alttestamentlichen Typen vom Paschalamm, vom Manna, von Isaak usw. sind hier in Erfüllung gegangen: "In hac mensa novi regis/ Novum Pascha novae legis,/ Phase vetus terminat./ Vetustatem novitas,/ Umbram fugit veri tas,/ Noctem lux eliminat" (Bei diesem Mahl des neuen Königs beendet das Pascha des Neuen Gesetzes den einstigen Vorübergang. Das Alte muss vor dem Neuen, der Schatten vor der Wahrheit flüchten, das Licht verscheucht die Nacht).

Auch in der zweiten und dritten Strophe des Hymnus "Sacris solemniis" findet sich eine treffliche Gegenüberstellung des alttestamentlichen und des neutestamentlichen Pascha: "Noctis recolitur cena novissima,/ qua Christus creditur agnum et äzyma/ dedisse fratribus juxta legitima/ priscis indulta patribus" (Gefeiert wird das Letzte Abendmahl,/ in welchem Christus seinen Brüdern/ das Lamm gab und das Brot, das ungesäuert war,/ Gehorchend alter Väter Satzung ... )

Für die Zukunft ist die Einsetzung des heiligsten Altarssakramentes der Beginn der gnadenreichen Gegenwart Christi, des Hohenpriesters, in der Kirche, der Anfang des neutestamentlichen Ritus und Priestertums. Christus übergibt seinen Aposteln und deren Nachfolgern volle Gewalt über seinen realen Leib durch Einsetzung des neutestamentlichen Priestertums: "Sie sacrificium instituit,/ Cuius officium committi voluit/ Solis presbyteris, quibus sie congruit,/ Ut sumant et dent ceteris" (So hat Er das Opfer eingesetzt,/ das zu verwalten Er nur den Priestern übertragen wollte./ Denen steht es zu, Leib und Blut zu empfangen und dann den andern darzureichen).

Der Beweggrund, von dem der Erlöser bei der Einsetzung dieses heiligen Mysteriums geleitet wurde, ist seine wunderbare Liebe, deren Grösse aus dem Abstand zwischen Christus und uns sündigen Menschen einigermassen ermessbar wird: "0 res mirabilis, manducat Dominum/ Pauper servus et humilis" (b wunderbares Ding: Es geniesst den Herrn der arme, nichtswürdige Knecht!)

Der biblische Bericht von der Einsetzung der Heiligen Eucharistie ist der positive Beweis für die reale Gegenwart Christi im heiligsten Altarssakrament. Die wirkliche Gegenwart Christi nach Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele, Fleisch und Blut, ist in allen Hymnen des heiligen Thomas in klarster Weise ausgesprochen. Der Glaube bezieht sich auf das Unsichtbare. Am Kreuz war nur die Gottheit unsichtbar und deshalb Gegenstand des Glaubens, in der Heiligen Eucharistie ist Christi Gottheit und Menschheit unsichtbarer Gegenstand des katholischen Glaubens. Nicht wie Thomas, der zweifelnde Apostel, sehen wir die Wundmale des Herrn, als er zum Glauben kam: "In cruce latebat sola Deitas,/ At hic latet simul et humanitas,/ Ambo tamen credens atque confitens/ Peto, quod petivit latro poenitens./ Plagas, sicut Thomas, non intueor:/ Deum tamen meum Te confiteor." (Am Kreuzesstamme war die Gottheit nur verhüllt,/ Hier hüllt die Menschheit auch sich gnädig in ein Bild./ Doch beide glaubt mein Herz und sie bekennt mein Mund,/ wie einst der Schächer tat in seiner Todesstund'./ Die Wunden seh' ich nicht, wie Thomas einst sie sah,/ doch ruf ich: Herr, mein Gott, Du bist wahrhaftig da!)

Sehr klar und theologisch genau ist in den eucharistischen Hymnen des heiligen Thomas das Wie der Realpräsenz Christi mit all den damit zusammenhängenden Wundern behandelt. Vor allem die katholische Transsubstantiationslehre wird klar verteidigt: "Dogma datur Christianis,/ Quod in carnem transit panis/ et vinum in sanguinem" (Ein Glaubenssatz ist den Christen gegeben, dass Brot in Fleisch und Wein in Blut übergeht).

Die Schwierigkeit dieser Wesensverwandlung für unser begrenztes Denkvermögen wird in etwa behoben durch den Hinweis auf das Wunder der Inkarnation und auf die allwirkende Kraft des göttlichen Wortes: "Verbum caro panem verum/ Verbum carnem efficit:/ Fitque sanguis Christi merum/ Et si sensus deficit,/ Ad firmandum cor sincerum/ Sola fides sufficit" (Gottes Wort, ins Fleisch gekommen, wandelt durch sein Wort den Wein/ und das Brot zum Mahl der Frommen,/ lädt auch die Verlornen ein./ Der Verstand verstummt beklommen,/ nur das Herz begreift's allein).

Sehr ausführlich bespricht der heilige Thomas die Totalität der Eucharistie, die Gegenwart Christi unter jedem einzelnen Teilchen sowohl der Gestalt des Brotes als auch der des Weines. Im "Lauda Sion" singt er: "Caro cibus, sanguis potus,/ Manet tamen Christus totus/ Sub utraque specie./ A sumente non concisus,/ Non confractus, non divisus,/ Integer accipitur./ Fracto demum Sacramento,/ Ne vacilles, sed memento,/ Tantum esse sub fragmento,/ Quantum toto tegitur./ Nulla rei fit scissura,/ Signi tantum fit fractura,/ Qua nec status nec statura/ Signati minuitur." (Blut als Trank und Fleisch als Speise:/ Christus ist auf beide Weise/ Bei uns ungeteilt und ganz./ Wer Ihn aufnimmt, bei Ihm weilet,/ Hat Ihn voll und ungeteilet,/ Ungebrochen, unbrechbar./ Einer nimmt und tausend nehmen,/ Gleichviel stets, soviel auch kämen,/ Immer bleibt er, was Er war.)

Die Hymnen des heiligen Thomas, namentlich das "Adoro Te devote", enthalten tiefe, anregende Gedanken über Wesen, Wirkungen und Zweck der heiligen Kommunion: Sie bringt uns die innigste Vereinigung mit Christus. Die Kirchenväter bereits wurden nicht müde, diese Vereinigung in den herrlichsten Farben zu schildern: sie sei ein Nachbild der zahlenmäßigen Einheit und Einzigkeit" der göttlichen Natur in der Dreiheit der Personen und der hypostatischen Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur in Christus.

In der heiligen Kommunion nehmen wir Christus als das Lebensprinzip des übernatürlichen Lebens wirklich in uns auf, wir nehmen jenes Leben in uns auf, das der Logos, das personale, ewige Wort Gottes des Vaters, von diesem wesenhaft empfangen hat und das er uns nun einsenkt. Die heilige Kommunion erscheint hierdurch zugleich als Vorausnahme der beseligenden Vereinigung mit Gott in der Herrlichkeit des Himmels. Diese Gedanken, die bei Joh 6,58 in ihrem tiefsten Grunde ausgesprochen sind, finden wir in den folgenden Versen des heiligen Thomas berührt: "Panis vivus, vitam praestans homini,/ Praesta meae menti de Te vivere/ Et Te illi semper dulce sapere." (O lebenspendendes und selbst lebend'ges Brot: Gib, dass von Dir allein sich meine Seele nährt und Deine Süssigkeit stets kräftiger erfährt.)

Die heilige Kommunion vermehrt die heiligmachende Gnade und die göttlichen Tugenden: "Fac me Tibi semper magis credere,/ In Te spem habere, Te diligere" (O gib, dass immer mehr mein Glaub' lebendig sei, mach' meine Hoffnung fest, mach' meine Liebe treu!).

Die reinigende Wirkung der heiligen Kommunion drückt Thomas in den Versen aus: "Pie pellicane, Jesu Domine,/ Me immundum munda Tuo sanguine,/ Cuius una stilla salvum facere/ totum mundum quit ab omni scelere" (O guter Pelikan, o Jesus, höchstes Gut/ Wasch rein mein unrein Herz mit Deinem teuren Blut, Ein einz'ger Tropfen schafft die ganze Erde neu,/ wäscht alle Sünder rein, macht alle schuldenfrei.)

Zugleich ist die heilige Kommunion ein Heilmittel gegen unsere Gebrechlichkeit, ein Trost in allen Gefahren und Kämpfen des einzelnen Menschen und der ganzen Kirche: "Dedit fragilibus Corporis ferculum,/ Dedit et tristibus Sanguinis poculum" (Den Gebrechlichen gab Er seinen Leib zum Mahl, den Trauernden Sein Blut zum Trank).

Die Heilige Eucharistie ist das Viaticum, die Wegzehrung, mit der der Herr uns stärkt auf der Pilgerreise, damit wir das herrliche Ziel erreichen können: "Bone Pastor, panis vere,/ Jesu, nostri miserere:/ Tu nos pasce, nos tuere:/ Tu nos bona fac videre/ in terra viventium./ Tu, qui cuncta scis et vales: qui nos pascis hic mortales,/ Tuos ibi commensales,/ Cohaeredes et sodales/ Fac sanctorum civium" (Guter Hirt, Du wahre Speise, Dich barmherzig uns erweise; Nähre uns auf unsrer Reise; Deine Güter, Jesu, weise Uns im wahren Lebensland./ Du, der alles weiß und leitet, Hier im Todestal uns weidet: Dort, wo licht Dein Reich sich breitet, Sei uns Los und Tisch bereitet, in der Heiligen Verband).

Die herrlichen Wirkungen der heiligen Kommunion werden aber nur jenen zuteil, die würdig die Heilige Eucharistie empfangen und die "boni", gut im theologischen Sinn, d.h. im Stand der heiligmachenden Gnade sind. Denen aber, die unwürdig kommunizieren, gereicht der Leib des Herrn zum Verderben. Diesen Unterschied in der Wirkung der heiligen Kommunion je nach dem subjektiven Seelenzustand spricht der heilige Thomas aus in dem Vers: "Sumunt boni, sumunt mali,/ Sorte tamen inaequali:/ Vitae vel interitus./ Mors est malis, vita bonis,/ Vide paris sumptionis/ Quam sit dispar exitus!" (Gute kommen, Böse kommen,/ Doch nicht jedem will es frommen,/ Leben bringt's und Todesbann./ Bösen: Tod; den Guten: Leben;/ Sieh, das Gleiche wird gegeben,/ Doch nicht Gleiches man gewann).

Die Gnadenwirkungen der heiligen Kommunion entspringen aus dem Messopfer, das die wahre, wirkliche Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers Christi ist. Den Gedanken an Mess- und Kreuzesopfer hat der heilige Thomas ebenfalls in seine eucharistischen Hymnen aufgenommen. Er findet im heiligen Opfer die überreiche Erfüllung der alttestamentlichen Opfervorbilder, er findet in der Heiligen Eucharistie die erhabenste Verwirklichung des Opfergedankens. Klar spricht er die Einsetzung der Heiligen Eucharistie als Opfer und die Fortdauer dieses Opfers und das Wesen dieses Opfers aus in den Versen: "Quod in coena Christus gessit,/ Faciendum hoc expressit/ In sui memoriam./ Docti sacris institutis Panem, vinum in salutis/ Consecramus hostiam" (Was beim Mahl durch Ihn geschehen,/ Das hieß Christus uns begehen/ Zum Gedächtnis Seinem Tod./ Treu befolgend heil'ge Lehren,/ Weihen, unser Heil zu mehren,/ Wir als Opfer Wein und Brot).

Auch die Wirksamkeit des eucharistischen Opfers, namentlich seine sühnende Kraft für Lebende und Verstorbene, wird an vielen Stellen dieser eucharistischen Gesänge des heiligen Thomas nachdrücklich hervorgehoben.

Noch vieles wäre zu sagen über die Eucharistielehre, wie sie der heilige Thomas v. A. in seinen Sakramentshymnen darlegt. Mit Recht hat man behauptet, dass diese Hymnen "der adäquate poetische Ausdruck all dessen sind, was der Katholik glaubt, hofft, liebt und bewundert in bezug auf das hochheilige Sakrament".

Zu den Sakramentshymnen kommen dann noch die systematischen Abhandlungen des heiligen Thomas über die Heilige Eucharistie: Das, was er 1263/64 in Orvieto im Auftrag des Papstes Urban IV. zu einem mystischen Lobpreis auf das eucharistische Mysterium geformt hat, hat er in der vor dem Oktober 1264 abgeschlossenen "Summa contra Gentiles" (Summe wider die Heiden) in den Kapiteln 6169 des 4. Buches wissenschaftlich dargelegt; dann vor allem in den 1273 niedergeschriebenen Fragen (Quaestiones) 73 bis 83 im III. Teil der "Summa Theologiae". Diese Darlegungen über die Heilige Eucharistie sind  wie M. Grabmann geschrieben hat "durch reiche Inhaltlichkeit, Hoheit der Gesichtspunkte, Klarheit der Gedankenfolge und Schönheit der Darstellung gleich hervorragend".

Die Bedeutung des heiligen Thomas als Doctor eucharisticus' ist sehr sinnvoll an seinem Grabmal in St. Saturnin zu Toulouse veranschaulicht: Über dem Grab thront ein herrliches Bildnis des Heiligen. In der einen Hand hält er die Heilige Eucharistie, in der anderen ein Flammenschwert. Darunter stehen die Verse: "Ex Evangelii solio Cherubinus Aquinas/Vitalem ignito protegit ense cibum" (Vom Thron des Evangeliums aus verteidigt der cherubinische Aquinate wie mit einem Flammenschwert die eucharistische Lebensspeise). Dazu hat J. B. Gonet (+ 1681) in seinem "Clypeus Thomisticus" (Tractatus de Eucharistia) geschrieben: Das Sakrament der Heiligen Eucharistie ist der Lebensbaum inmitten des Paradieses, nämlich der Kirche. Der cherubinische Thomas aber ist zum Behüten dieses Lebensbaumes bestellt.

Er selbst hat sicher nicht so groß und triumphalistisch von seiner die wahre, unverfälschte Eucharistielehre verteidigenden Tätigkeit gedacht. Er war dazu viel zu bescheiden. Aber ergreifend ist, mit welcher Ehrfurcht er am Ende seines Lebens die heilige Wegzehrung empfangen und dann über das gesprochen hat, was er über die Heilige Eucharistie zeitlebens lehrte und schrieb.

Wilhelm von Tocco berichtet in seinem Leben des heiligen Thomas von Aquin im 58. Kapitel: "Als der Lehrer Thomas v. A. (auf seinem Krankenlager in der Zisterzienserabtei Fossanuova) allzu schwach zu werden und er seinen Tod vorauszuahnen begann, da erbat er mit großer Frömmigkeit, man möge ihm die Wegzehrung für die christliche Pilgerreise reichen, das hochheilige Sakrament des Leibes Christi. Als es ihm ehrfurchtsvoll vom Abt und den Mönchen gebracht wurde, warf er sich zu Boden; zwar gebrechlich im Leib, aber tapfer im Geist, eilte er seinem Herrn unter Tränen entgegen. Als ihm das Sakrament des Herrenleibes gereicht und er zuvor noch gefragt wurde, wie der Sitte gemäß jeder Christ in seiner letzten Stunde über seinen Glauben besonders an dieses Sakrament geprüft wird, ob er glaube, dass jene konsekrierte Hostie der wahre Sohn Gottes sei, der aus dem Leibe der Jungfrau hervorgegangen ist und am Pfahl des Kreuzes gehangen hat, der für uns gestorben und am dritten Tage wieder auferstanden ist, da antwortete er mit klarer Stimme, aufmerksamer Frömmigkeit und unter Tränen: Wenn die Wissenschaft von diesem Sakrament in diesem Leben größer sein kann als der Glaube, so antworte ich mit ihr, dass ich wahrhaft glaube und als sicher weiß: Dieser ist wahrer Gott und Mensch, Sohn Gottes des Vaters und der Jungfrau Mutter, und so glaube ich mit meiner Seele und bekenne es im Worte, wie es der Priester über dieses heiligste Sakrament gelehrt hat.' Und nachdem er einige weitere fromme Worte vorausgeschickt hatte, empfing er das heiligste Sakrament und sagte: Ich empfange Dich als Lösepreis meiner Seele, ich empfange Dich als Wegzehrung für meine Pilgerfahrt; aus Liebe zu Dir habe ich studiert, gewacht und mich abgemüht, Dich habe ich gepredigt und gelehrt. Gegen Dich habe ich niemals etwas gesagt; sollte ich aber etwas gesagt haben, so habe ich es unwissend gesagt, und ich beharre nicht hartnäckig auf meiner Meinung, sondern wenn ich über dieses Sakrament oder über anderes schlecht gelehrt habe, so überlasse ich es ganz der Verbesserung durch die heilige römische Kirche, in deren Gehorsam ich nun aus diesem Leben scheide.' Es sagte aber der Lehrer Thomas bis zu seinem Ende mit größter Frömmigkeit und unter Tränen, was er bei der Erhebung des Leibes unseres Herrn zu sagen pflegte: Du König der Herrlichkeit, Christus, Du bist der ewige Sohn des Vaters!' Nachdem er in frommer Weise, sich selbst zum Verdienst, für andere zum Vorbild, das Sakrament empfangen hatte, begehrte er für den folgenden Tag noch die heilige Krankensalbung, damit ihn jener Geist der Salbung, der ihn mehr als jene, die seiner teilhaftig sind, gesalbt hatte, zum Himmel führe, nach dem er strebte."

Er erreichte dieses Ziel am 7. März 1274. Da ging in Erfüllung, wonach er sich so sehr gesehnt hatte: dass er enthüllt Gott anschaue von Angesicht und ewig selig sei in seiner Glorie Licht.

(entnommen aus: Holböck, Ferdinand, Das Allerheiligste und die Heiligen, S. 114-125)