Einer der würdigsten und heiligsten Bischöfe, welche im 19. Jahrhundert die Kirche Gottes
verherrlichten, war der heilige Vinzenz Strambi von Macerata. In seinem väterlichen Hause schon nannte man ihn wegen seiner ungemeinen Frömmigkeit den kleinen Heiligen. Alle
seine Mitbrüder im Orden der Passionisten hielten ihn für einen großen Heiligen, für einen zweiten Franz von Sales...
Alle seine Tugenden hatten ihre Quelle in seiner innigen Liebe zum Allerheiligsten
Altarsakrament und im heiligsten Opfer in der Messe.
Seine Andacht zur heiligen Eucharistie begann schon in seinem zarten Alter und wuchs mit
ihm in solchem Grad, dass er nichts lieber tat, als stundenlang in Gegenwart des Gottmenschen zu beten. Als Knabe fand er Vergnügen daran, jene Kirchen zu besuchen,
wo das Allerheiligste aufbewahrt wurde. Als Student genügte ihm der oftmalige Empfang des heiligsten Sakramentes und der häufige Besuch des Gotteshauses nicht; oft kniete er
nachts an seinem Fenster, welches einer Kirche gegenüber war und betete innig seinen Heiland an. Diese heilige Übung steigerte sich noch mehr bei seinem Eintritt ins Priestertum
und in den Orden der Passionisten. Als Weltpriester brachte er zu Rom viele Stunden des
Tages vor dem Allerheiligsten in der Kirche zu, in der das vierzigstündige Gebet gehalten wurde. Man erblickte ihn da auf dem Boden
kniend, das Haupt gebeugt, unbeweglich wie eine Statue, in tiefster Sammlung des Geistes, nur mit seinem Heiland beschäftigt. Da
Vinzenz Maria als Ordensmann mehr Gelegenheit fand, seiner Andacht zu diesem heiligen Geheimnis zu pflegen, so benützte er sie
mit größter Freude, und verweilte öfters bei Tag und auch bei Nacht in der Kirche auf dem Chor oder in einem der Oratorien. Sooft
er zur Pforte gerufen wurde, betete er zuvor einige Augenblicke vor dem Allerheiligsten. Zog er auf Missionen aus, so galt dem
Allerheiligsten sein erster Besuch; kam er nach Hause zurück, so war seine erste Erholung ein Besuch des heiligsten Sakramentes. So
oft er in Predigten oder bei anderen Gelegenheiten von diesem Geheimnis redete, spiegelte sich seine glühende Liebe zum Altarsakrament in seinem Gesicht.
Man kann mit Wahrheit behaupten, dass seine Andacht zum allerheiligsten Sakrament den höchsten Grad erreichte, nachdem er
Bischof geworden war. Es ist der Liebe eigen, den geliebten Gegenstand so oft als möglich zu sehen und ihn in ihrer Nähe zu haben.
So auch bei Bischof Vinzenz. In seiner bischöflichen Wohnung zu Macerata ließ er ein Zimmer, das der Kirche Unserer Lieben Frau
von der Barmherzigkeit gegenüberlag, in eine Hauskapelle verwandeln. In der erwähnten Kirche war vorher das Allerheiligste nicht
aufbewahrt worden. Bischof Vinzenz erbat sich hiezu von Rom die Erlaubnis und brachte dann mehrere Stunden des Tages und der
Nacht in seiner Kapelle zu, von wo aus er den Altar mit dem heiligsten Sakrament erblicken konnte. So oft er sich zu Tolentino
befand, wohnte er nicht im bischöflichen Palast, sondern im Seminar, wo er sich ebenfalls ein Zimmerchen einrichten ließ, das mit der Kirche in Verbindung stand.
Jeden Abend begab er sich entweder in die Kirche der Barnabiten oder in die zum Hl. Johannes dem Täufer
außerhalb der Stadt und betete stundenlang so andächtig und so innig, dass Augenzeugen versichern, sie hätten
einen Engel in Menschengestalt zu erblicken geglaubt. Zog sich der Bischof auf einige Tage zu seinen geliebten Mitbrüdern in die Einsamkeit des Klosters zurück, so fand man ihn den größten Teil des Tages in einem
Oratorium vor seinem Heiland kniend. Nach dem Beispiel des heiligen Vinzenz von Paul pflegte er die angekommenen Briefe im Angesicht seines Heilands zu lesen, um von ihm die nötige Erleuchtung für die Antwort
zu erflehen. Nicht selten bat Vinzenz einen Pater, ihn zu bestimmter Stunde zu rufen oder vielmehr aus seiner tiefen Andacht zu wecken. Wenn dann der Pater erschien, so fiel es dem Bischof schwer, seinen geliebten
Heiland schon zu verlassen und er fragte mit freundlicher Miene: „Wünscht mich vielleicht jemand zu sprechen?“
Und lautete die Antwort: „Nein,“ so fügte er hinzu: „Lassen Sie mich noch ein wenig beten,“ und so brachte er
dann fünf oder sechs Stunden ununterbrochen im Gebet zu. Manchmal schien er sich auf dem Chor von seinem Erlöser noch zu weit
entfernt, stieg dann in die Kirche hinab und betete, auf dem Boden kniend, vor dem Altar. Vor jedem wichtigen Geschäfte eilte er in
die Kirche; Jesus war sein Ratgeber, sein Wegweiser, sein Tröster, sein Alles. Eines Tages empfing Vinzenz aus Rom zwei Briefe,
worin sich zwei Priester seines Bistums in den unwürdigsten Ausdrücken beschimpften und ihn selbst, ihren Bischof, gröblich
lästerten. Vinzenz empfand in den ersten Augenblicken einigen Verdruss, mehr über die Beleidigung Gottes als über die Verletzung
seiner Person. Augenblicklich eilte er aber zu seinem Heiland und in weniger als fünf Minuten war er heiterer und beruhigter als je.
Fast nie ging er an einer Kirche vorüber ohne dieselbe zu betreten, und er beneidete das Los der Seelsorger, welche ihre Wohnung so
nahe an der Kirche und folglich so schöne Gelegenheit haben, ihren Herrn und Heiland recht oft zu besuchen.
(sprachlich leicht verändert übernommen aus: Ott, Georg, Eucharisticum, Regensburg 1869, S. 601-602)
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