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Kardinal Charles Journet

Der Schweizer Kardinal Charles Journet war wohl einer der bedeutendsten Theologen des Zweiten Vatikanischen Konzils; Papst Paul VI hat ihn seinerzeit als einzigen Wissenschaftler durch die Erhebung zur Kardinalswürde besonders geehrt. Seine theologischen Werke zeichnen sich durch große systematische Klarheit und spirituelle Tiefe aus, sind aber leider kaum ins Deutsche übersetzt. Wichtig für das Konzil wurde er besonders durch seine Ekklesiologie; doch hatte er auch zu vielen anderen großen theologischen Themen maßgebende Beiträge verfasst. Die folgende Übersetzung einer Arbeit über die eucharistische Wandlung kann auch gut als Einführung bzw. theologische Vertiefung des entscheidend wichtigen theologischen Rundschreibens von Papst Paul VI. "Mysterium fidei" vom 3. 9. 1965 dienen.

Kardinal Charles Journet

Christus im allerheiligsten Sakrament(1)

Inhalt

1. Das Wort ist Fleisch geworden
2. Wird uns die leibliche Gegenwart Jesu entzogen oder weitergewährt?
3. Die Rede vom Brot des Lebens
4. Der Einsetzungsbericht
5. Der Text des hl. Ambrosius
6. Die Wesensverwandlung
7. Das Geheimnis der Transsubstantiation entzieht sich dem Bereich der Wissenschaft
8. Die sinngerechte Formulierung des Glaubensgeheimnisses
9. Annäherung von Nichtkatholiken an das Geheimnis
10. Die Gefahr des Rationalismus
11. Der Glaube der Kirche
12. Drei Zeugnisse
13. Schluss

1. Das Wort ist Fleisch geworden.

Der Höhepunkt der Heilsgeschichte ist der Augenblick, in dem das Wort Fleisch annimmt. Bis dahin lebte die pilgernde Kirche in Erwartung Seiner Ankunft, der Ordnung des natürlichen Sittengesetzes und des alttestamentlichen Gesetzes unterworfen. Nun läßt Christus sie aus dem Dunkel hervortreten, zieht sie an sich, um sie gewissermaßen neu geboren werden zu lassen und ihr das Leben des Neuen Bundes zu verleihen. Solange Er sichtbar in ihrer Mitte weilt, existiert sie gleichsam verborgen in Seinem Lichte. Sie scheint von Ihm auszugehen, ohne doch von Ihm getrennt zu sein, läßt aber dennoch nach und nach ihre endgültige Gestalt deutlich werden. Gesegnete Tage, als Simeon das kleine Kind auf seine Arme nehmen kann (Lk 2, 28), als der Erlöser die Samariterin am Jakobsbrunnen erwartet (Joh 4, 6), als Seine Jünger Ihn mit Palmen in den Händen zum König ausrufen, der voller Güte der Tochter Sion entgegeneilt (Mt 21, 5)! "Was von Anfang an war", wird der Apostel sagen, "was wir gehört haben, was wir mit unserem Augen gesehen haben, was wir mit unseren Händen berührt haben vom Worte des Lebens, ... das verkünden wir euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt (1 Joh 1, 1-3)". - "Ja, so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen einzigen Sohn dahingegeben hat, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht zugrundegehe, sondern das ewige Leben habe (Joh 3, 16)."

2. Sollte uns die leibliche Gegenwart Jesu entzogen oder weiter gewährt werden?

Sollte uns dieses leibliche Gegenwärtigsein des fleischgewordenen Wortes in unserer Mitte am Tage der Himmelfahrt entrissen werden, als Jesus mit Seinem wiedererstandenen Leibe, geschmückt mit den Wundmalen, die der Apostel Thomas zu berühren verlangt hatte, in eine andere Welt hinüberging? Eine Welt, der unseren gewissermaßen parallel, doch unvorstellbar, die Welt des Jenseits, des Endes aller Zeiten und der Herrlichkeit Gottes?

Was werden wir antworten? Wenn es wahr ist, daß Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß Er ihr die leibliche Gegenwart Seines einzigen Sohnes schenkte, werden wir dann nicht auch annehmen - da es ja nicht in sich unmöglich ist -, daß Er die Welt genügend lieben kann, um ihr die leibliche Gegenwart dieses Seines einzigen Sohnes zu lassen?

Wenn die leibliche Gegenwart Christi, des damals leidensfähigen Christus, notwendig war, um die Menschen um das Erlösungsopfer zu versammeln, das Er vollenden wollte, werden wir dann nicht sagen - immer vorausgesetzt, daß dies ja in sich nicht unmöglich ist -, daß dieselbe leibliche Gegenwart Christi, des jetzt verherrlichten Christus, nicht weniger notwendig ist, damit Er in jedem Augenblick der Zeit das Gegenwärtigsein des Erlösungsopfers unter uns geheimnisvoll vervielfältigen und wirksam machen kann? Dieses Opfer hat Er zwar ein einziges Mal am Kreuz vollbracht, aber seine blutenden Strahlen müssen unaufhörlich, in gewaltigen Strömen, mit großer Explosivkraft die Finsternisse der Welt durchdringen, um hier den Tod des Herrn und die Vergebung der Sünden zu verkünden, um das Gottesreich aufzubauen(2) und das Reich des Bösen zu Fall zu bringen(3).

Da jedoch Christus uns am Tage Seiner Himmelfahrt verlassen hat, um in die Herrlichkeit des Himmels einzugehen, wo Er in der Ihm eigenen und natürlichen Erscheinungsweise lebt, ist es klar, daß Er gegebenenfalls uns nun hier auf Erden nur in einer anderen Weise leiblich gegenwärtig sein kann als in dieser ihm eigenen. Es ist klar, daß es seitdem für den einen Christus zwei Weisen des Gegenwärtigseins gibt: die eine im Himmel, die primäre, ursprüngliche, seiner Natur entsprechende; die andere unter uns, verborgen, geheimnisvoll und sakramental. Wir könnten sagen, es ist fast so, wie ja auch eine einzige Mutter auf zweierlei Art leiblich gegenwärtig sein kann: ganz offen sichtbar für eines ihrer Kinder, das taub ist, und auf verborgene Weise für ein anderes Kind, das blind ist.

Menschlich gesehen sind diese Dinge unsinnig. Die Kirche kann sie wohl wünschen, sie als wünschenswert erträumen. Sind sie aber wahr? Sind sie überhaupt möglich? Wer soll es ihr sagen? Jedoch sie schlägt hier einfach die Hl. Schrift auf und trifft auf die Stellen, wo es heißt: "Vor dem Osterfeste, als Jesus wußte, daß Seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater zu gehen, und da Er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, liebte Er sie bis ans Ende" (Joh 13, 1); und: "Er nahm in der Nacht, in der Er verraten wurde, Brot und, nachdem Er Dank gesagt hatte, brach Er es und sprach: "Dies ist mein Leib, der für Euch da ist; tut dies zu meinem Andenken" (1 Kor 11, 24).

Wie sollte sie sich da nicht in ihrem Herzen getroffen fühlen? Könnte man da nicht ganz leise ihre Antwort hören: "Ich hatte es vorausgeahnt! Dies ist noch mehr, als ich geahnt hatte"!

Nun ist es klar für sie: Die Liebe, die den Sohn Gottes dazu bewogen hat, leiblicherweise in unsere Mitte zu kommen, hat Ihn auch dazu bewogen, leiblich bei uns zu bleiben. Wollte man das Geheimnis der Eucharistie ablehnen, so hieße dies notwendig, auch den Sinn des Geheimnisses der Menschwerdung verkennen.

3. Die Rede vom Brot des Lebens.

Der hl. Johannes hat den direkten Bericht über die Einsetzung der Eucharistie nicht wiederaufgegriffen; er war ja bereits aufgezeichnet, sowohl beim hl. Paulus als auch in den synoptischen Evangelien. Aber das 6. Kapitel seines Evangeliums mit der Rede über das Brot des Lebens hat doch vor allem ein Ziel: im voraus den Zeitpunkt anzukündigen, an dem Jesus das blutige Opfer seiner Passion beginnt und dieses Opfer sakramental bereits gegenwärtig setzt unter den Erscheinungsformen von Brot und Wein, damit Seine Gläubigen daran teilnehmen können - nicht nur durch ihre Liebe, sondern auch durch das Essen der Speise, ähnlich wie die Juden sich durch das Mahl mit den Opfern vereinten, die sie Gott darbrachten. Die Rede über das Brot des Lebens wird uns nur dann völlig verständlich, wenn wir sie rückblickend im Lichte des Berichtes über die Einsetzung des Abendmahles lesen. Sie erreicht ihren Höhepunkt an drei Stellen: in Vers 35, wo sogar an das Geheimnis der Menschwerdung erinnert wird: "Ich bin das Brot des Lebens, wer zu Mir kommt, wird nie mehr hungern, wer an mich glaubt, wird niemals mehr Durst leiden"; in Vers 51, wo das Geheimnis der Erlösung vorhergesagt wird: "Das Brot, das Ich geben werde, ist Mein Fleisch für das Leben der Welt"; in Vers 53, wo die besondere Weise vorhergesagt wird, in welcher wir nach dem Wunsche Jesu an Seinem blutigen Opfer teilnehmen sollen. Von daher sind die Eucharistie und die feierlich-eindringlichen Worte der Rede über das Brot des Lebens zu verstehen: "Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und Sein Blut nicht trinkt, werdet ihr das Leben nicht in euch haben". "Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage". "Denn Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und Mein Blut ist wahrhaft ein Trank". "Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm". "Ebenso wie Mich der lebendige Vater gesandt hat und Ich durch Ihn lebe, so wird auch der, der Mich ißt, durch Mich leben". "Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist; es ist nicht wie jenes, das eure Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer dieses Brot ißt, wird ewig leben". "So lehrte Er in der Synagoge von Kapharnaum" (Joh. 6, 53- 59). Einige murrten und sagten: "Wie kann uns dieser Mensch sein Fleisch zu essen geben? Diese Rede ist hart, und wer kann sie hören?..." Von da an zog sich eine Anzahl Seiner Jünger zurück und hörte auf, Ihn zu begleiten. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: "Wollt auch ihr weggehen"? Simon Petrus antwortete Ihm: "Herr, wohin sollten wir gehen? Du hast die Worte des ewigen Lebens" (Joh 6, 53; 6, 60, 66-67). Die Eucharistie, in einzigartiger Weise Sakrament der Einheit, beginnt mit Trennungen. Jesus will nicht um jeden Preis Einheit. Er hatte hinzugefügt: "Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts" (Joh 6, 63). Es wird eine der merkwürdigsten Sinnentstellungen der Exegese bleiben: Gerade eine Aussage im Evangelium vom fleischgewordenen Wort, das zu uns kommt, wollte man gewaltsam herausnehmen, um damit zu beweisen, wie nutzlos es sei, daß das fleischgewordene Wort bei uns bleibe . Aber was soll dieser Ausspruch nun sagen? Er meint, daß es im Menschen einen fleischlichen Sinn gibt, dem Geist des Glaubens entgegengesetzt. Da dieser Fleischessinn unfähig ist, zum Glaubensgeheimnis Zugang zu gewinnen, dient er zu nichts. So jedenfalls lautet nach dem hl. Johannes Chrysostomus die unmittelbare Erklärung: "Sagt Jesus dies", so schreibt er, "von Seinem eigenen Fleisch? Gott behüte! Sondern von denjenigen, die Seine Worte mit fleischlichem Sinn hören. ... Was nottut, ist: Alle Glaubensgeheimnisse mit dem inneren Auge betrachten, das ist das Geistige! ... Du siehst also, "das Fleisch dient zu nichts" bedeutet nicht das Fleisch Jesu, sondern deren fleischliche Art, zuzuhören"(4). - Die Kommentare des hl. Cyrill und des hl. Augustinus gehen ins Herz des Geheimnisses: "Das Fleisch dient zu nichts", schreibt der hl. Augustinus, "wenn es allein ist. ... Aber wenn nun Christus uns zu Hilfe eilte, indem Er Fleisch annahm, wieso dient dann das Fleisch zu nichts? ... Das Fleisch ist das Gefäß gewesen. Betrachte, was es enthält, nicht, was es war"(5) .

4. Der Einsetzungsbericht

Was tat man im Jahre 55 in der "Kirche Gottes, zu Korinth"? Der heilige Paulus spricht von einem Tisch, der ein Altar ist; von einem Brot, das der Leib des Herrn ist; von einem Kelch, welcher das Blut des Herrn ist; von einer Gemeinschaft der Gläubigen mit diesem Leib und Blut durch Essen - so wie die Juden an den Opfern des mosaischen Gesetzes und die Heiden an ihren Götzenopfern teilnahmen. Aber weder die Opfer der Heiden, noch die Opfer Israels sind noch länger erlaubt; sie erregen den eifersüchtigen Zorn Gottes (1 Kor 10, 14-22). Ein wenig weiter schreibt er: "Ich habe vom Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe: Der Herr Jesus nahm in der Nacht, da Er verraten wurde, Brot, dankte, brach es und sprach: Nehmet hin und esset; dies ist Mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu Meinem Andenken. Ebenso nahm Er nach dem Mahle den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in Meinem Blute. Jedesmal, wenn ihr ihn trinkt, tut dies zu Meinem Andenken! Denn sooft ihr dieses Brot eßt und diesen Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis Er wiederkommt. Wer also unwürdig dieses Brot ißt oder diesen Kelch des Herrn trinkt, der versündigt sich am Leibe und Blute des Herrn. Daher prüfe sich der Mensch, und so esse er von diesem Brote und trinke von diesem Kelche. Denn wer ißt und trinkt, ohne den Leib des Herrn zu unterscheiden, der ißt und trinkt sich das Gericht" (1 Kor 11, 23-29).

5. Der Text des hl. Ambrosius(6)

Die Kirche fügt dem Sinn dieser Worte nichts hinzu. Sie nimmt sie in ihrer vollen Bedeutung an und verkündigt sie ihren Kindern. So lautet die Predigt des hl. Ambrosius in Mailand um das Jahr 390: "Du sagst vielleicht: Das ist mein gewöhnliches Brot. Aber dieses Brot ist Brot nur vor den sakramentalen Worten; sobald die Konsekration erfolgt, "wird" dieses Brot (fit) der Leib Christi. Begründen wir dies nun: Wie kann das, was Brot ist, der Leib Christi sein? Durch welche Worte geschieht denn die Konsekration, und von wem sind diese Worte? Von dem Herrn Jesus. In der Tat, alles übrige, was man vorher spricht, wird vom Priester gesagt: Man bringt Gott Lobpreisungen dar, man betet für das Volk, für die Könige, für alle anderen! Sobald man danach aber dazu übergeht, das verehrungswürdige Sakrament zu vollziehen, (ut conficiatur, damit es vollbracht werde), bedient sich der Priester nicht mehr seiner eigenen Worte; sondern er gebraucht Christi eigene Worte. Es ist also das Wort Christi, welches dieses Sakrament hervorbringt. Welches ist nun dieses Wort Christi? Es ist dasselbe, durch welches Er alle Dinge gemacht hat. Wenn nun also in dem Worte des Herrn Jesus eine so große Macht liegt, daß das, was nicht war, zu sein anfing, um wieviel mehr ist es imstande zu bewirken, daß die Dinge, die da waren... in etwas anderes verwandelt werden, (in aliud commutantur)... Um also auf deine Frage zu antworten: Vor der Konsekration war es nicht der Leib Christi; aber nach der Konsekration ist es, das sage ich dir, sogleich (iam) der Leib Christi"(7).

6. Die Wesensverwandlung (Transsubstantiation)

In der Eucharistie, so sagt der hl. Augustinus, gibt es das, was man sieht, und was man glaubt . Was man sieht, das sind die Erscheinungsformen, die physikalisch-chemischen Eigenschaften, kurz die Spezies oder Akzidentien des Brotes. Nach dem Worte Christi ist das, was unter diesen unveränderten Erscheinungsformen des Brotes da ist, der Leib Christi. Eine tiefe Veränderung hat sich vollzogen: Der Übergang von einer Wirklichkeit zu einer anderen Wirklichkeit, von einer Wesenheit (Substanz) zu einer anderen Wesenheit (Substanz). Hinübergehen heißt im Lateinischen "trans"(8). Daher das Wort: Transsubstantion. "Weil Christus, unser Erlöser, gesagt hat, daß das, was Er unter der Gestalt des Brotes darbrachte, wahrhaft Sein Leib ist", hat die Kirche immer geglaubt und das Konzil von Trient es von neuem erklärt: "Durch die Konsekration des Brotes und des Weines vollzieht sich eine Umwandlung des ganzen Wesens des Brotes in das Wesen des Leibes Christi, unseres Herrn, und des ganzen Wesens des Weines in das Wesen Seines Blutes. Eine Wandlung, welche die katholische Kirche mit dem richtigen Worte Wesensverwandlung (Transsubstantiation) bezeichnet"(9).

7. Das Geheimnis der Transsubstantiation entzieht sich dem Bereich der Wissenschaft

Der Unterschied zwischen einem Subjekt oder einer Substanz und seinen veränderlichen und zufälligen Eigenschaften (Akzidentien ) ist für jeden von uns augenscheinlich klar. Wir machen alle die Unterscheidung zwischen der Beständigkeit unseres innersten und wesentlichen Ich und der Wandelbarkeit unserer Stimmungen und zufälligen Situationen. Es ist ein und dasselbe Subjekt, das in uns verschieden bewegt wird, das von der Kindheit zum reifen Alter kommt, von der Traurigkeit zur Freude, vom Irrtum zur Wahrheit. Derselbe Baum ist es, der im Winter sein Laub verliert und im Frühling von neuem blüht. Es sind dieselben Elemente die sich im Weltall vereinigen und trennen, sich zusammensetzen und auseinanderfallen. Überall in der Natur muß man irgendeinen substantiellen Träger von seinen veränderlichen Eigenschaften unterscheiden.

Kommen wir zurück zur Eucharistie. Es ist das Wesen des Brotes, so sagten wir soeben, das von der Transsubstantiation erfaßt wird, nicht seine zufälligen Eigenschaften, seine physikalisch-chemischen Besonderheiten. Und es sind genau die Akzidentien oder physikalisch-chemischen Eigenschaften, die allein unter den direkten Zugriff der physikalischen und chemischen Wissenschaften fallen. Diesen Bereich soll man ihnen lassen; das ist alles, was sie beanspruchen. Sie disputieren nicht, um zu erfahren, ob diese Eigenschaften ein tragendes Wesen haben - wie wir es ganz spontan glauben, oder ob es - wie die buddhistischen Metaphysiker meinen - Bewegung ohne Bewegliches geben kann, Veränderungen ohne Verändertes, Eigenschaften ohne Substanz. Das fällt nicht in ihren Bereich. Ebenso bleibt das ganze Geheimnis der Transsubstantiation seiner Wesensbestimmung entsprechend außerhalb ihres Gedankenkreises.

8. Die sinngerechte Formulierung des Glaubensgeheimnisses

Nur die Transsubstantiation macht die wirkliche Gegenwart Christi unter den unveränderten Erscheinungsformen des Brotes möglich. So lautet die Lehre der Kirche. Sie verkündet, sogar im Namen der Schrift, Wirklichkeiten einer anderen Welt, die das Auge nicht gesehen, das Ohr nicht gehört hat und die in keines Menschen Herz gedrungen sind. Diese Lehre, die von oben kommt, von sehr weit oben - und die uns zu guter letzt sehr lieb wird, weil sie uns öffnet für die Horizonte Gottes, der die Liebe ist - wie sollte sie uns nicht bei erster plötzlicher Begegnung wie ein Ärgernis erscheinen, wie eine in die Diskussion geworfene Herausforderung, bei der unser Geist in Verwirrung gerät! Sie verlangt von uns, an das Geheimnis eines Gottes zu glauben, eines einzigen subsistierend in drei Personen, Vater, Sohn und Hl. Geist; an das Geheimnis des Gottessohnes, der Mensch wird und an einem Kreuz stirbt; an das Geheimnis Seiner immerwährenden Gegenwart mitten unter uns in der Eucharistie. Immer wieder sind Angriffe gegen diese unerforschlichen Offenbarungen angestürmt. Immer wieder hat die vernünftelnde Vernunft sich angestrengt, sie herabzumindern, sie auf ihr eigenes Niveau herunterzuziehen - dasjenige nämlich einer "Religion in den Grenzen der Vernunft" - , sie auf Leitsätze zurückzuführen, die für sie annehmbar und bequem sind, die aufhören würden, für sie ein Ärgernis zu sein. Doch jedesmal sind diese Versuche an einem kleinen Wort gescheitert, das nicht einmal in der Hl. Schrift steht, das aber in sich die widersprüchlich scheinenden Aspekte der Hl. Schrift in Übereinstimmung bringt, die man versuchte gewaltsam herauszugreifen, um die übernatürliche Einheit der Offenbarung sogar in der Hl. Schrift zu zerstören und zu zerreißen. Ein solches Wort ist das Wort "Trinität" (Dreieinigkeit), welches zugleich die Einheit der Natur und die unaufhebbare Verschiedenheit der Personen in Gott bekräftigen soll; ein solches ist auch das Wort "Konsubstantialität" (Wesensgleichheit), welches die absolute Einheit des Seins von Vater und Sohn bezeugt; so auch das Wort "Hypostatische Union" oder "personale Union", welches die Einheit der Person und die Zweiheit der Naturen in Jesus bejaht; ebenso das Wort "Transsubstantiation" (Wesensverwandlung), das die Gegenwart des Leibes Christi unter den Erscheinungsformen des Brotes zum Ausdruck bringen will. Diese Worte bleiben für immer festgelegt; die denkende Reflexion der Jahrhunderte wird sich unaufhörlich damit befassen können, ihren Sinn zu entfalten; sie wird ihn nicht verfälschen können.

Es sind genaue Worte, sinngerechte Worte. Je zahlreicher die verkleinernden Erklärungen, die Vorwände und Ausflüchte wurden, um so präziser mußte der Ausdruck formuliert werden, um die Erhabenheit und Reinheit der Offenbarung zu bewahren. Die dabei verwendeten Ausdrücke mögen einer Sprache entlehnt sein, die schon philosophisch geformt worden war. Aber das geschah erst, nachdem sie zuvor aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und danach geprüft, kontrolliert und gereinigt worden waren durch das göttliche Licht des Glaubens, das sie nutzbar machte und seinen eigenen Aufgaben anpaßte. Es hätte sie notfalls selbst prägen müssen, - und hat es oft getan - wenn sie nicht schon vorher dagewesen wären. So ist es seither klar, daß sie das Offenbarungsdogma nicht irgendeinem philosophischen System dienstbar machen. "Das rechtgläubige christliche Denken", so wurde erst kürzlich geschrieben, "hat aus der hellenistischen Philosophie die Elemente ausgewählt, die ihm brauchbar schienen; es hat die metaphysischen Lehren, die ihm unvereinbar schienen mit seinen eigenen Prinzipien, verworfen; es hat die ursprünglichsten und beharrlichsten Thesen der antiken Metaphysik zurückgewiesen"(10), wie jene von der Ewigkeit der Welt.

Obwohl sie so fachterminologisch formuliert sind, bleiben diese großen Geheimnisse der Dreifaltigkeit, der Menschwerdung und der wirklichen Gegenwart Christi gleichwohl in gewissem Maße dem Glauben der einfachen Gläubigen zugänglich. Wir lehren sie den Kindern im Katechismusunterricht, denn wir halten die kleinen Kinder nicht für unwürdig, diesen Offenbarungen der Liebe Gottes nahezukommen. Es gibt keine esoterische Geheimlehre im Christentum.

Wir wollen auch ausdrücklich feststellen, daß die Offenbarung von der wirklichen Gegenwart des Gottmenschen in der Eucharistie mit demselben tiefen Glauben, derselben Liebe von der ganzen Kirche im Orient und im Abendlande angenommen ist. Aber da, wo die Angriffe scharfsinniger, berechneter und heftiger waren, wurde natürlich auch die Formulierung genauer ausgewogen.

9. Nicht-katholische Annäherungen an das Mysterium

Die Anziehungskraft der Eucharistie auf viele von denen, die außerhalb der sichtbaren Grenzen der Kirche sich so wie wir auf Christus und sein Evangelium berufen, ist heute weit davon entfernt nachzulassen; sie scheint sich im Gegenteil nachdrücklicher bemerkbar zu machen und gleichsam unwiderstehlich zu werden. Für diese Menschen ist die Zeit vorbei, wo man sie einen magischen Ritus nannte, ein Überbleibsel mythischer und vorphilosophischer Zeitalter. Bei den Synoptikern und beim hl. Paulus lesen sie immer wieder mit einer ganz neuen Aufmerksamkeit den zugleich so unerwarteten, so einfachen und feierlichen, so seltsam bewegenden Bericht vom letzten Abendmahl. Sie sind betroffen von der Treue der ersten Christen, das vom Herrn eingesetzte Tun weiterzuführen. "Tut dies zu meinem Andenken", hatte Er angeordnet, und der Apostel hatte hinzugefügt: "Bis Er wiederkommt"! Die Feier des Abendmahles war für die christliche Gemeinschaft der einzigartige Augenblick, wo sie Christus begegneten; ihm, der versprochen hatte, wiederzukommen, und der ganz plötzlich in ihrer Mitte in Seiner Glorie erscheinen konnte, um das Ende der Welt anzukünden. Diese Feier hatte die geheimnisvolle Macht, die Kirche auf der höchsten Ebene zu vereinigen, auf Seiner Höhe, indem sie die Kirche, die der Leib ist, wieder auf Christus, der das Haupt ist, hinordnete. All dies - und warum sollte das für uns nicht eine tiefe Freude bedeuten -, all dies wird allmählich wiedergefunden von den Brüdern, die wir noch nicht als ganz zur Kirche gehörend ansehen können.

Viele von ihnen, die sich von diesen immer mehr erleuchteten Annäherungen an das Geheimnis des Abendmahls ermutigt fühlen, beginnen wie wir von der "wirklichen Gegenwart" des "Leibes Christi", sogar von einer "Transsubstantiation" zu sprechen, bezeichnen aber damit etwas, das nichts von alledem ist: Daher kommt eine unvermeidliche Quelle der Verwirrung. Für uns bedeutet "Dies ist Mein Leib": Das ist nicht mehr Brot; das ist Mein Leib im eigentlichen Sinne. Hier ist für uns die "unmittelbare" Gegenwart gegeben, die wirkliche Gegenwart, die wesentliche, substantielle Gegenwart. Und das ist die Transsubstantiation. Für jene aber heißt: "Das ist Mein Leib": Das ist Brot, welches Meinen Leib vermittelt, welches dargeboten wird als Zeichen Meines Leibes, und, wenn es gläubig empfangen wird, eine Vereinigung mit Meinem Leibe ermöglicht, der aber jetzt nur im Himmel sein kann. Es ist Brot im eigentlichen Sinne; es ist "Mein Leib" nur im uneigentlichen Sinne von der bildlichen Ausdrucksweise her, die mit demselben Namen beides bezeichnet, das Mittel und den Begriff, das Zeichen und das Bezeichnete. Hier ist mittelbare Gegenwart gegeben, Zeichengegenwart, Gegenwart durch Dazwischenstellen einer anderen Wirklichkeit, einer anderen Substanz. Und es gibt dann auch keinen Schatten von einer Transsubstantiation. Wenn eine Mutter mit zärtlicher Liebe die Photographie ihres fernen Sohnes betrachtet, dann ist dies für sie eine mittelbare Gegenwart, eine Gegenwart des Zeichens; wenn es aber an der Tür klopft und ihr Sohn ihr plötzlich in die Arme fällt, dann ist das für sie eine wirkliche Gegenwart, eine wesentliche Gegenwart. Sieht man die große Frömmigkeit, mit der sogar diejenigen die Feier des Abendmahles umgeben, die darin nur eine zeichenhafte Gegenwart des Leibes Christi entdecken konnten, warum sollte man darin nicht ein Versprechen finden, einen Grund zur Hoffnung ? In diesem Sinne sind die fortschreitenden Annäherungen an das eucharistische Glaubensgeheimnis segensreich, sie führen hinauf zu größerer Erleuchtung. Als Jesus Seine Jünger fragte, was man vom Menschensohn denke, antworten sie, daß einige in ihm der Elias, Jeremias oder irgendeinen der Propheten sähen. Und diese tadelt Jesus nicht. Ihnen gilt das Wort: "Wer nicht wider Uns ist, der ist für Uns" (Mk 9, 40). Dann wandte sich Jesus an Seine Jünger und sagte zu ihnen: "Und ihr, was sagt ihr, daß Ich bin"? (Mt 16, 15)

10. Die Gefahr des Rationalismus

Dieselbe Höhe, zu der die einen hinaufsteigen, kann von anderen wieder aufgegeben werden. Die Lehre von der wahren, wirklichen, unmittelbaren Gegenwart Christi unter den sakramentalen Gestalten könnte nämlich manchen bei uns zu hoch scheinen, die wie wir Kinder der katholischen Kirche sind, jedoch durch bequeme Lösungen verführt werden. Warum sollte man nicht dafür - so meinen sie - die ganz einfache Lehre einführen, ohne Mysterium und ohne Ärgernis, die Lehre von der mittelbaren Gegenwart im Zeichen? Man könnte dieselbe Sprache beibehalten, könnte weiter von der "wirklichen Gegenwart" Christi bei der Abendmahlsfeier sprechen und auch weiter den Gläubigen den "Leib Christi" reichen. Man könnte auch erklären - und das würde von aller Welt verstanden werden: Vom Brot kann man in profaner Weise Gebrauch machen, um sich zu ernähren; und Brot kann man auch in heiliger Weise gebrauchen, um sich mit Christus zu vereinen. Mit Seinem Leibe ist Christus im Himmel und nirgendwo anders; auf dem Altar ist Brot, nichts anderes! Aber wenn du dieses Brot im Glauben nimmst und in der Sehnsucht, dich mit Christus zu vereinen, dann sind die Zeichenhaftigkeit, die Bestimmung, die Zwecksetzung des Brotes nicht mehr profan; du hast sie verwandelt, sie sind heilig geworden. Von Natur aus profan, sind sie jetzt durch ihre Funktion heilig geworden. Es hat sich eine Wandlung der Bedeutung (Transsignifikation), eine Wandlung der Bestimmung (Transdestination), eine Wandlung des Zweckes (Transfinalisation) des Brotes vollzogen. Und wenn man zugesteht, daß die Dinge ihren Wert weniger durch das haben, was sie sind, als durch den Gebrauch, den man von ihnen macht, warum sollte man dann nicht so weit gehen, diese Zweckverwandlung (Transfinalisation) mit dem verehrungswürdigen und traditionellen Wort "Transsubstantiation" zu bezeichnen ? Man könnte so dem Anschein nach jenen gewinnen, die der Kirche gerade nahegekommen sind, würde sich aber dabei von der Kirche entfernen. Doch ist es besser, wenn man zur Höhe hinauf - als von ihr herunter steigt. Hier würde das andere Wort des Herrn gelten: "Wer nicht mit Mir ist, ist gegen Mich", "wer nicht mit Mir sammelt, der zerstreut!" (Mt 12, 30).

11. Der Glaube der Kirche

Nicht die Kirche hat jene unbegreiflichen Geheimnisse erfunden: die Dreieinigkeit der göttlichen Personen in Gott, das leibliche Kommen des einzigen Sohnes Gottes in die Zeit im Augenblick der Menschwerdung und die Fortdauer der leiblichen Gegenwart in unserer Mitte unter den Schleiern der Eucharistie. Diese Offenbarungen von der Transzendenz eines Gottes, dessen Natur und dessen Pläne ihr verborgen bleiben, von dem sie aber weiß, daß Er die Liebe ist (1 Joh 4, 8), empfängt die Kirche mit ehrfürchtiger Demut und Anbetung. Sie verkündet sie allen, den Allerärmsten wie den größten Gelehrten, als eine frohe Botschaft, als die gute Botschaft aus einer anderen Welt, wo sich schließlich einmal die hier auf Erden unlösbaren Probleme aufhellen werden. Sie glaubt nicht, die Armen oder die kleinen Kinder von dieser Verkündigung ausschließen zu müssen, denn sie kennt die Empfänglichkeit von demütigen Herzen, von reinen Herzen für die Geheimnisse Gottes.

Zu allen Zeiten der Geschichte haben sich Menschen von Geist gefunden, keineswegs zu verachtende Persönlichkeiten, fast immer voll guter Absicht und oft große Denker, die für die geoffenbarten Glaubensgeheimnisse sehr einfache Erklärungen vorschlugen, solche, die dem allgemeinen Menschenverstand angepaßt sein sollten und den Wünschen des "Mannes auf der Straße", wie man heute sagen würde. Die Arianer z. B. sagten im 4. Jahrhundert zwar ebenso wie wir, daß Jesus Gott ist, jedoch nur durch seinen Auftrag, weil Er im Namen Gottes wirkte und durch Gottes Autorität. Die Nestorianer erklärten ein Jahrhundert später zwar ebenso wie wir, daß der Sohn Gottes und der Sohn Mariens ein und dieselbe Person seien, jedoch in dem Sinne, wie ein Gesandter eins ist mit dem Fürsten, den er repräsentiert(11). Heute reicht man den Leib Christi, aber man denkt dabei an Brot, das sich auf den Leib Christi bezieht. Immer wieder hat die Kirche sich im Laufe der Jahrhunderte von diesen Erklärungen abgewandt.

Warum sollte man hier nicht die feierlichen Worte zitieren, die bei Gelegenheit des Eucharistischen Kongresses am 10. Juni 1965 in Pisa von S. Heiligkeit Papst Paul VI gesprochen wurden(12): "Die heiligen Zeichen der Eucharistie sind nicht nur Symbole und Bilder Christi, Zeugnisse Seiner Liebe oder Seines Handelns im Hinblick auf jene, die an Seinem Abendmahl teilnehmen; sie enthalten Ihn, Ihn, den lebendigen und wahren Christus, sie bezeichnen Ihn als gegenwärtig, so wie Er in der ewigen Glorie lebt, hier aber gegenwärtiggesetzt ist in Seiner Opfertat, um zu zeigen, daß das Sakrament der Eucharistie in unblutiger Weise das blutige Opfer Christi am Kreuz erneuert und alle diejenigen an der Wohltat der Erlösung teilnehmen läßt, die sich würdig vom Leibe und Blute Christi nähren, das mit den Zeichen des Brotes und Weines umkleidet ist. So ist es, ja, so ist es, cosi è, cosi è [...] Wir sagen das, um gewisse Unsicherheiten zu zerstreuen, die in diesen letzten Jahren entstanden sind als Folge von Versuchen, Erklärungen vorzubringen, die in einer Frage von so großer Wichtigkeit die traditionelle und von der Kirche gutgeheißene Lehre umgehen. Wir sagen dies auch, um euch einzuladen, euch alle, Menschen unseres Jahrhunderts, daß ihr eure Aufmerksamkeit auf diese alte und immer neue Botschaft richtet, welche die Kirche nicht müde wird zu wiederholen: Der lebendige Christus, verborgen unter dem sakramentalen Zeichen, das Ihn uns darbietet, ist wirklich gegenwärtig (...) Die Eucharistie ist ein Geheimnis des Glaubens, ein lebendiges Licht, ein sehr mildes Licht, ein sehr zuverlässiges Licht für den, der glaubt. Eine sehr undurchsichtige Zeremonie jedoch für den, der nicht glaubt. Wie entscheidend ist doch das Thema Eucharistie, wenn es so zu einer Trennungslinie wird! Wer sie empfängt, ergreift Partei. Er ergreift Partei mit demselben Feuer, wie einst der hl. Petrus: "Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast die Worte des ewigen Lebens" (Joh 6, 58).

Wir führen hier nicht die Enzyclica "Mysterium fidei" vom 3. September 1965 an, denn alles, was wir hier sagen, ist nach unserer Absicht nur dazu bestimmt, in deren Lektüre einzuführen.

12. Drei Zeugnisse

Vielleicht dürfen wir diesen höchst bedeutsamen Worten drei schöne Zeugnisse beifügen, die verschiedenen Zeiten und Orten entlehnt sind.

1. Am Schluß der Messe des koptischen Ritus in Alexandrien steht das feierliche Bekenntnis des Glaubens an die wirkliche Gegenwart:

"Amen, Amen, Amen, ich glaube, ich glaube, ich glaube. Bis zum letzten Hauch meines Lebens will ich bekennen, daß dies der lebensspendende Leib Deines einzigen Sohnes ist, unseres Herrn, unseres Gottes, unseres Erlösers Jesus Christus. Er hat diesen Leib von unserer Herrin Königin, der allerreinsten Mutter Gottes angenommen. Er hat ihn mit Seiner Gottheit vereinigt, ohne irgendeine Vermischung, Verschmelzung oder Veränderung. Ich glaube, daß Seine Gottheit niemals, auch nicht einen einzigen Augenblick von Seiner Menschheit getrennt war. Er ist uns geschenkt worden für die Vergebung der Sünden, für das Leben und für das ewige Heil! Ich glaube, ich glaube, ich glaube, daß alles so ist".

2. Am Schluß der Leichenrede für die Pfalzgräfin Anna Gonzaga von Cleve, welche zuerst ihren Glauben verloren und dann wiedergefunden hatte, zitiert Bossuet folgende persönliche Notizen der Prinzessin: "Es ist sehr glaubwürdig, daß ein Gott, der unendlich liebt, auch Beweise davon gibt, die der Unendlichkeit Seiner Liebe und der Unendlichkeit Seiner Macht entsprechen; und was der Allmacht Gottes eigen ist, überschreitet weit die Fähigkeiten unserer schwachen Vernunft. Das ist es, was ich mir selbst sage, wenn die Dämonen versuchen, meinen Glauben zu erschüttern, und seitdem es Gott gefallen hat, mir einzugeben, daß Seine Liebe die Ursache von allem ist, was wir glauben, überzeugt mich diese Antwort mehr als alle Bücher". Bossuet fügt hinzu: "Fragt nicht, was in Jesus Christus den Himmel mit der Erde, das Kreuz mit der Erhabenheit geeint hat: So sehr hat Gott die Welt geliebt! Ist es denn unglaubhaft, daß Gott liebt und daß die Güte sich mitteilt? Was läßt mutige Menschen die Liebe zum Ruhm nicht alles unternehmen und was die gewöhnlichsten Menschen die Liebe zum Reichtum! Bei allen ist es schließlich all das, was den Namen Liebe trägt. Nichts zählt mehr, weder Gefahren, noch Anstrengungen oder Mühen. Zu wahren Wundern ist der Mensch fähig! Wenn nun der Mensch, der nichts als Schwachheit ist, das Unmögliche versucht, warum soll dann Gott, um seiner Liebe zu genügen, nichts Außergewöhnliches vollbringen? Nennen wir den Sinngehalt in allen Mysterien: "Gott hat die Welt so sehr geliebt. ... Und wir glauben der Liebe, die Gott zu uns hat" (1 Joh 4, 16). Das ist der ganze Glaube des Christen; das ist Grund und Zusammenfassung des ganzen Glaubensbekenntnisses. Hier hat die Pfalzgräfin die Lösung ihrer früheren Zweifel gefunden". Bossuet berichtet noch folgende Worte: "Wenn Gott so große Dinge getan hat, um Seine Liebe in der Menschwerdung zu offenbaren, wieviel mehr tut Er dann, um sie in der Eucharistie zu krönen! Wo Er sich nicht nur allgemein der Menschheit schenken will, sondern jedem einzelnen Gläubigen im besonderen".

3. In "La messe-là-bas" denkt Paul Claudel an diejenigen, die wie Rimbaud oder Mallarmé dem dichterischen Wort eine Kraft abverlangten, die es seiner Natur nach nicht geben kann; an diejenigen, die es am Ende wirkungslos machen. Doch gibt es ein Wort , das über dem dichterischen Wort steht, das Wort nämlich, das der Priester im Augenblick der Wandlung ausspricht, welches kraft der göttlichen Allmacht als Werkzeug imstande ist, das auch zu tun, was es bezeichnet: "Rimbaud, warum gehst du davon, warum bist gerade du einmal mehr wie das Kind auf den Bildern, das aus dem Hause läuft, zum Tannenwald hin und in den Gewittersturm hinein? Was du so ferne suchtest, die Ewigkeit, die schon in diesem Leben allen Sinnen erreichbare: Erhebe nur deine Augen und schaue geradeaus vor dich hin, sie ist da; sieh das Brot in der Monstranz. Du Geist, der gegen seinen Käfig wütet, der von deinen Schreien und Gotteslästerungen widerhallt. Auf einem anderen Wege müssen wir uns zum Marsch nach Jerusalem rüsten. Du täuschest dich nicht, als du die Dinge geradezu verschlingen wolltest, du Dichter ohne die Macht des Priesters, hier ist eines von ihnen, eines, das plötzlich imstande ist, dem Sein als Schleier zu dienen, dieser Gegenstand zwischen Blumen aus trockenem Papier - eben dies ist höchste Schönheit! Jene Worte, die so abgenutzt sind, daß man sie nicht mehr vernimmt, gerade in Ihnen war die Wahrheit, dieselbe, welche die Toten erweckte, das Wort - aber nützt es sich denn ab oder stirbt es denn? Damit der Priester es ausspreche, genügt schon dieses Brot, auf daß es das Wort bleibe, das der ganze Mensch ist, dieser Mensch, welcher zu gleicher Zeit Gott ist. Wir müssen nur den Mund öffnen, um Ihn selbst darin zu empfangen.

Derjenige, der für unser Fleisch Fleisch geworden ist, die Allursache in seinem Leib, der mir zugänglich ist; ich sehe endlich mit meinen Augen, daß das höchste Besitzen möglich ist! Möglich nicht nur für unsere Seele, sondern für unseren Leib! Möglich also für den ganzen Menschen schon in diesem Leben, und weiß, daß er mächtiger ist als der Tod! Der Schleier, mit dem die Dinge verhüllt sind, ist an einer Stelle für mich durchsichtig geworden. Ich umfange ja das Wesen mitten durch alle Äußerlichkeiten hindurch".

13. Schluss

"Der Herr", so sagt der hl. Franziskus in seinem "Testament", "gab mir einen solchen Glauben in der Kirche, daß ich beim Beten ganz einfach gesagt habe: Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, in allen Deinen Kirchen, welche die ganze Welt bedeuten, und wir preisen Dich, weil Du die Welt durch Dein heiliges Kreuz erlöst hast".

Mehr noch als das Haus des christlichen Volkes ist die Kirche das Haus Christi. Ein Geheimnis, eine Gegenwart erfüllt die ärmste katholische Kirche. Sie ist bewohnt. Sie wird nicht nur durch die Bewegung lebendig, welche das Hin und Her der Menge mit sich bringt. Sie ist selber schon vorher Quelle des Lebens und der Reinheit, für jene, die ihre Schwelle überschreiten. Sie besitzt die wirkliche Gegenwart, die leibliche Gegenwart Christi, den "Ort" wo die höchste Liebe unsere menschlichen Natur berührt hat, um mit ihr eine ewige Vermählung zu feiern, die strahlende Lichtquelle, welche imstande ist, das ganze Drama der Zeit und der menschlichen Torheit zu erleuchten.

Jeder kann hier hereinkommen und dem Jesus des Evangeliums in der Stille ganz persönlich und vertraut begegnen. Jeder, wie groß auch seine Unwissenheit sein mag, wie groß seine Fehler, deren Erinnerung ihn zu Boden drücken kann, oder seine geheimen inneren Nöte - jeder kann es wagen, Ihm nahe zu kommen, so wie einst die Sünderin im Haus des Pharisäers Simon. Jeder kann zu Ihm schreien wie der Blinde in Jericho und Ihm sagen: "Herr, gib, daß ich sehe"!

Wenn ein aufrichtiger Mensch sich bei Ihnen erkundigt, was er tun solle, um die Wahrheit zu finden, dann fordern Sie ihn auf - und zwar vielleicht schon bevor Sie den Katechismus und die christlichen Glaubensgeheimnisse erklären, auch bevor Sie ihn mitten in die Menge der Gläubigen führen, wo er sich fremd fühlen könnte und wo die Gefahr bestände, daß ihm die Kirche wie ein Verein unter anderen vorkäme - fordern Sie ihn auf, er solle sich jeden Tag einen Augenblick mit dem Evangelium in eine Kirche setzen, zu einer Zeit, wenn niemand dort ist. Danach wird er verstehen können, daß die wirkliche Gegenwart der Seinsgrund für die Fortdauer der Kirche durch Raum und Zeit bis zur Wiederkunft Christi ist.

Es gibt viel zu viele häßliche Kirchen in unserer Zeit, als daß man immer vorbehaltlos mit dem Psalmisten von der Schönheit des Hauses Gottes sprechen könnte. Die Schönheit ist ein heiß ersehnter Wunsch. Aber es ist etwas anderes, wenn es sich darum handelt, daß man von der Begegnung einer Seele mit dem sakramentalen Christus spricht. Das kann eine große Beseligung sein, ein Augenblick im Paradies. Es kann auch sein wie der Schrei des Elends und der Ohnmacht, eine Art Kampf und Todeskampf. Es kann auch noch ein heftiger Angriff, manchmal ein wilder Angriff sein, ein Strahl des blutigen Kreuzes, der die Seele bis in ihre Tiefen erschüttert.

Anmerkungen

1. Kardinal CHARLES JOURNET, La présence réelle du Christ sacramenté, Vortrag bei den "Conférences de Saint-Louis de France" in Rom am 14. 10 . 1965, Nova et Vetera 40 (1965) 275- 289. Übersetzt von Johannes Stöhr

2. Unabhängig von der Vereinigung mit Christus durch die Liebe und die eucharistische Kommunion stellt gerade der Vollzug der Konsekration, d. h. des Gegenwärtigsetzens Christi in eben dem Augenblick Seines blutigen Erlösungsopfers (ut opus nostrae redemptionis exercetur: damit das Werk unserer Erlösung gewirkt wird) auf geheimnisvolle Weise das geistige Gleichgewicht der Welt wieder her. Der Priester, der das Zelebrieren unterläßt, und sich mit dem Kommunizieren begnügt, weiß nicht, was er als Priester ist, und warum die Kirche ihn geweiht hat.

3. AMBROSIUS: "Wenn wir den Tod des Herrn verkünden, dann verkünden wir die Nachlassung der Sünden. Ja, jedesmal, wenn Sein Blut vergossen wird, wird es für die Vergebung der Sünden vergossen; ich muß es immer empfangen, damit es mir immer meine Sünden nachlasse. Ich der ich immer sündige, ich muß immer ein Heilmittel haben" (De sacramentis, 4, 28 [SC 25,1 p. 86-87]). (Nb.: Es soll sich bei dieser Schrift allerdings nur um eine altes dem Ambrosius zugeschriebenes Werk handeln.)

4. JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Hom. in Joh. 47, 2 (PG 59, 265)

5. AUGUSTINUS, In Ev. Joh 6, 64, c. 27, n. 5 (CChr 36, 271-272)

6. AMBROSIUS, De sacramentis, c. 4, 13-20 (SC 25, 1 p. 86-87)

7. AMBROSIUS, Ebd. (SC 25, 1 p. 82-84)

8. Daher die Worte 'transatlantisch', 'transferieren' usw.

9. CONCILIUM TRIDENTINUM, Sess. 13, c. 4, can. 2 (DS 1642, 1652 [D 877, 884])

10. CLAUDE TRESMONTANT, Les ideés maítresses de la métaphysique chrétienne, 1962, p. 15

11. Nach RUDOLF BULTMANN "ist die Formulierung Christus ist Gott falsch, wenn dabei unterstellt wird, daß Gott eine objektivierbare Größe ist. ... Sie ist richtig, wenn Gott verstanden wird als das Geschehnis einer Handlung Gottes". ... Mit anderen Worten: Christus ist, als er den Beginn der Zeit des Heiles verkündet, das eschatologische Ereignis, durch welches die Begegnung zwischen uns und Gott geschieht. "Das Herr-sein Christi, seine Göttlichkeit, ist immer nur ein Ereignis". - L'interprétation du Nouveau Testament, Paris, Aubier 1955, 231. Daher wirft BULTMANN dem Ökumenischen Rat der Kirchen vor, er habe in Amsterdam offiziell "Jesus Christus als Gott anerkannt".

12 PAUL VI, OssRom 12. 6. 1965